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„Respekt steht an erster Stelle“

13. Dezember 2019

Sebastian Götz ist Deutscher Meister im Kickboxen und findet, dass ihn das in seiner Berufung als Krankenpfleger in der Psychiatrie souveräner gemacht hat

Als stellvertretender Stationsleiter auf der Station Mayer-Gross hat er es beruflich mit Patienten in akuten psychischen Notlagen zu tun – gut, wenn man dann einen kühlen Kopf bewahren kann. „Durch meinen Sport bin ich entspannter geworden. Gerade im Umgang mit aggressiven Patienten gibt einem das Wissen, dass man zur Not nicht wehrlos ist, mehr Selbstbewusstsein“, sagt Sebastian Götz. Vor sechs Jahren begann er mit dem Kickboxen, letzten November wurde er Deutscher Meister im „Kick-Light“, Kickboxen mit Leichtkontakt. Das wäre für ihn eigentlich die Fahrkarte zur Weltmeisterschaft im Oktober gewesen – doch „leider“ hatte er da schon etwas anderes vor: Flitterwochen. Auf Wettkämpfe verzichtete er auch im Vorfeld seiner Hochzeit im Juni diesen Jahres – damit am großen Tag auch wirklich nichts dazwischen kommen konnte.

Denn normalerweise ist Sebastian Götz´ bevorzugte Disziplin der Kampf mit Vollkontakt: Hier darf der Gegner den Regeln entsprechend härter angegangen werden. Mit „Veilchen“ im Gesicht musste er bisher trotzdem noch nicht vor die Patienten treten: „Die meisten Treffer kassiert man an den Oberschenkeln, im Gesicht war ich noch nicht verletzt.“ Ohnehin geht es beim Kickboxen nicht darum, den Gegner möglichst übel zuzurichten. Was viele nicht wissen: Es leitet sich vom sogenannten „Thaiboxen“ ab, was wie viele asiatische Kampfsportarten auch eine spirituelle, im Buddhismus begründete Komponente hat. Götz´ Trainer ist buddhistischer Mönch und vermittelt seinen Schülern daher auch den spirituellen „Unterbau“: „Der Respekt voreinander steht immer an erster Stelle. Das versuche ich auch meinen Schülern mitzugeben“, sagt der 28-Jährige, der als „Braungurt“ selbst Unterricht gibt.

Das Kickboxen soll Körper und Geist schulen – neben Ausdauer, Koordination und Kraft eben auch Gelassenheit und Selbstbewusstsein stärken. Eigentlich ideal für alle Kolleginnen und Kollegen der Pflege, dachte sich der Gesundheits- und Krankenpfleger, und bot im Rahmen von „Fit im Klinikum“ bereits zwei jeweils achtwöchige Kurse im Kickboxen an. Teilgenommen haben bisher interessanterweise nur Frauen. „Teil des Trainings ist immer auch Selbstverteidigung – das kam bei den Teilnehmerinnen super an“, sagt er. Weitere Kurse für alle Klinikumsmitarbeiter sind geplant.

„Kickboxen leitet sich vom Thaiboxen ab, was wie viele asiatische Kampfsportarten auch eine spirituelle, im Buddhismus begründete Komponente hat.“

2018 begleitete Sebastian Götz, der einen Abschluss im Studiengang „Interprofessionelle Gesundheitsversorgung“ vorweisen kann, zudem das Projekt „Gesund altern im Pflegeberuf“ als Projektkoordinator. Dabei ging es vorrangig um Erhebungen zu Belastung und Stresslevel im Pflegealltag, um darauf aufbauend Präventionsmaßnahmen wie ein spezielles Training und Gesundheitszirkel zu erarbeiten. Gleichzeitig war er bis Anfang 2019 bei der Redaktion der „Heidelberger Klinischen Standards“ beteiligt, einem Leitfaden für Medizinstudenten. Zuletzt erschienen sind die „Heidelberger Standardgespräche“, nun sollen „Heidelberger Pflegestandards“ folgen. „Warum sollten angehende Pflegekräfte nicht gleichwertig behandelt werden? Die Pflege ist zwar auf einem guten Weg. Um Ärzteschaft und Pflege auf eine Ebene zu heben, muss sich aber noch viel bewegen.“

Doch um eben aktiv etwas bewegen zu können, „muss man an der Basis sein und möglichst selbst zu den Entscheidern gehören“, ist der engagierte Krankenpfleger überzeugt. Daher ist er seit Februar als stellvertretender Stationsleiter zurück auf „seiner“ Station Mayer-Gross. Hier war er bereits in der Ausbildung eingesetzt und: „Ich habe mich nur hier beworben“, verrät er. „Das Team ist das Beste, das man sich vorstellen kann und alle können sich aufeinander verlassen. Alle arbeiten Hand in Hand – Pflege und ärztliche Kollegen, anders ginge es gar nicht.“

Um zukünftig seine Rolle als Führungskraft noch besser ausüben zu können, studiert Sebastian Götz momentan noch Psychologie im Fernstudium. Doch als nächstes steht erst einmal die Verteidigung der Deutschen Meisterschaft im November auf dem Programm. Wir wünschen viel Glück!

4 Fragen an… Sebastian Götz

Wie sind Sie gerade auf Kickboxen gekommen?

Ich habe viele Jahre Fußball gespielt und war dementsprechend häufig verletzt, was vor allem für die Ausbildung damals ungünstig war. Kampfsport hat mich schon immer fasziniert und ich habe viel auf YouTube, vor allem MMA (Mixed Marterial Arts) angeschaut. Dann habe ich ein Probetraining in meinem Gym absolviert und direkt danach den Vertrag unterschrieben.

Was erwidern Sie jemandem, der Sie fragt, warum Sie sich als Krankenpfleger für einen doch recht brutalen Sport begeistern?

Dass es meiner Meinung nach eine der fairsten und ehrlichsten Sportarten ist. Der Kampf an sich ist natürlich brutal bzw. sieht brutal aus, dennoch kommt es nur sehr selten zu Unsportlichkeiten oder Regelverstößen. Der Respekt vor dem Gegner ist allgegenwärtig. Egal wie der Kampfverlauf ist, nach dem Kampf fällt man sich in die Arme und bedankt sich beieinander und den jeweiligen Trainern. Der ganze „Trashtalk“ vor großen Kämpfen dient natürlich der PR. Als Krankenpfleger finde ich, dass dieser Sport sehr, sehr gut zum Beruf passt. Denn in unserem Alltag ist man häufig einer hohen Stressbelastung ausgesetzt und zudem wird man körperlich sehr gefordert. Kampfsport sorgt zum einen dafür, dass man natürlich körperlich fit bleibt, da sowohl Kraft als auch Ausdauer trainiert werden, und zum anderen ist es unglaublich stressreduzierend. Man fühlt sich ausgeglichen, und das Selbstbewusstsein steigt. Ein Sport für Körper und Geist.

Gab es schon Situationen, in denen Sie froh waren, Kickboxen und nicht beispielsweise Yoga als sportlichen Ausgleich zu machen?

Der Sport hilft mir zum einen in meinem Beruf in der Psychiatrie. Man braucht schon häufig starke Nerven und eine ruhige, ausgeglichene Persönlichkeit, um mit der meist psychischen Belastung einer psychiatrischen Akutstation klar zu kommen. Sich auch körperlich im Notfall helfen zu können, spielt natürlich auch eine Rolle, da wir auch hin und wieder sehr aggressive Patienten betreuen. Bisher wurde ich jedoch noch nie körperlich angegriffen und konnte die Situationen deeskalieren. Tatsächlich musste ich erst ein einziges Mal außerhalb des Rings und des Sports auf den Kampfsport zurückgreifen. Ein Freund von mir wurde von einem Betrunkenen mit einer Flasche attackiert. Den Angreifer konnte ich dann glücklicherweise stoppen.

Neben Ihrem fordernden Beruf trainieren Sie fünf bis sechs Mal die Woche, studieren nebenher, und Ihre Frau möchte Sie auch noch ab und an zu Gesicht bekommen. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut? Bleibt da überhaupt noch Zeit für anderes?

Ohne meine Frau würde ich das tatsächlich nicht alles unter einen Hut bekommen (lacht), da sie die Organisierte von uns beiden ist und mir auch häufig Hilfestellung gibt. Der Schichtdienst ist leider eher ungünstig für eine Beziehung, da meine Frau in der Wirtschaft und dementsprechend in Regelarbeitszeit arbeitet. Ich bin unglaublich froh, dass meine Frau zum einen meinen Sport toleriert und mich immer in dem, was ich tue, unterstützt. Zum anderen trainiert sie ebenfalls seit fast zwei Jahren Kickboxen und wir können gemeinsam zum Training gehen, sei es unter der Woche oder am Wochenende. Wir finden zum Glück genug Zeit füreinander und freuen uns jetzt aber auch sehr auf unsere „verspäteten“ Flitterwochen.

 

 

 

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