Frauenklinik initiiert mit „Mind:Pregnancy“ ein wegweisendes Projekt für Schwangere
Von psychischen Problemen betroffene Schwangere identifizieren, untersuchen, Hilfe anbieten und die Ergebnisse auswerten – das sind die Ziele des „Programms für mehr Achtsamkeit in der Schwangerschaft“, das Ende Januar in Baden-Württemberg gestartet ist. Urheberin und Projektleiterin von „Mind:Pregnancy“ ist PD Dr. Stephanie Wallwiener aus der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. Es handelt sich dabei um das deutschlandweit erste systematische Screening und Behandlungsprogramm für werdende Mütter, die unter Ängsten, Stress oder Depressionen leiden. Die Frauenklinik und ihre Projektpartner haben dafür beim Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesauschusses Fördergelder in Höhe von 3,4 Millionen Euro eingeworben. Das Baden-Württemberger Projekt könnte große Folgen für die Schwangerenversorgung in ganz Deutschland haben: Zeigt sich in der anschließenden Evaluation, dass es erfolgreich ist, soll es Teil der gesetzlichen Regelversorgung werden.
Wie ist die Ausgangssituation?
Bis zu 20 Prozent der werdenden Mütter sind Studien zufolge von einer Depression und bis zu 25 Prozent von Ängsten betroffen. Darunter leidet nicht nur die Schwangere selbst, auch für Kind und Familie ist die Erkrankung eine große Belastung. Frauen, die unter Stress, Angst oder Depressionen leiden, wünschen sich zudem eher einen Kaiserschnitt, auch wenn dieser medizinisch nicht unbedingt notwendig wäre. In Baden-Württemberg wird inzwischen fast jedes dritte Kind auf diese Weise entbunden, obwohl der Eingriff für Mutter und Kind körperlich belastend ist. Auch haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass sich psychische Probleme in der Schwangerschaft negativ auf die motorische und geistige Entwicklung des Kindes auswirken können sowie mit kindlichen Verhaltensstörungen und ADHS in Verbindung stehen.
„Wir wollen das Selbstvertrauen und die Lebensqualität fördern.“
PD Dr. Stephanie Wallwiener, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, Projektleiterin „Mind:Pregnancy“
Welche Ziele hat „Mind:Pregnancy“?
Betroffene Schwangere sollen von „Mind:Pregnancy“ identifiziert werden und umgehend psychologische Hilfe erhalten. Die Initiatoren möchten Selbstvertrauen und Lebensqualität fördern und den Betroffenen die Ängste nehmen. So sollen auch mehr physiologische Geburten ermöglicht werden. Durch das Screening und passende Maßnahmen in Abhängigkeit zum Ausmaß der psychischen Belastung lassen sich außerdem ungünstige Auswirkungen auf die Kinder deutlich verringern.
Wie funktioniert das Programm?
Schwangere in Baden-Württemberg, die bei einer der beteiligten Krankenkassen* versichert sind, können sich auf freiwilliger Basis mit einem Fragebogen auf Anzeichen von Depressionen, Ängsten und Stress untersuchen lassen. Zeigt sich in dieser ersten Untersuchung durch den behandelnden Frauenarzt, dass eine starke psychische Belastung vorliegt, wird die Betreffende durch Mitarbeiter der an dem Projekt teilnehmenden Universitätsfrauenkliniken Heidelberg und Tübingen kontaktiert und bekommt psychologische Hilfe. Schwangere, die mildere Anzeichen von Störungen der Stimmungslage zeigen, werden eingeladen, an einem onlinebasierten Selbsthilfeangebot zur Achtsamkeit teilzunehmen.
Wie erfolgt das Online-Angebot?
Mithilfe des Online-Angebotes werden Schwangere unter anderem im Umgang mit Ängsten und körperlichen Veränderungen geschult. Das Angebot besteht aus acht wöchentlichen – ausschließlich digitalen – Sitzungen, die sich aus verschiedenen Bestandteilen wie beispielsweise Videos und Arbeitsblättern zusammensetzen. Die Sitzungen können via Computer, Tablet oder Smartphone-App bearbeitet werden. Am Ende jeder zweiten Sitzung senden die Teilnehmerinnen Rückmeldungen zu ihrer psychischen Belastung an die koordinierenden Stellen der Frauenkliniken.
Welche Forschungsziele verfolgt das Programm?
In dem über dreieinhalb Jahre laufenden Projekt wird untersucht, ob die mit dem „Mind:Pregnancy“-Angebot versorgten Schwangeren weniger depressive Symptome aufweisen als Patientinnen, denen diese Form der Selbsthilfe nicht zur Verfügung steht und ob es möglich ist, mit Hilfe einer derartigen Unterstützung die Kaiserschnittrate zu senken. Im Erfolgsfall stellt die Online-Hilfe eine leicht zugängliche und kostengünstige Maßnahme dar, die von Schwangeren zu Hause und ohne Wartezeiten durchgeführt werden kann. Claudia von See
* die Techniker Krankenkasse, die mhplus Betriebskrankenkasse, die über die GWQ ServicePlus AG teilnehmenden Betriebskrankenkassen, die AOK Baden-Württemberg und die BARMER
Bildquelle: Pixabay
Partner des Projektes „Mind:Pregnancy“
Konsortialpartner des Projektes sind das Institut Frauengesundheit Tübingen, die Universitäts-Frauenklinik Tübingen, die Ludwig-Maximilian-Universität München, die Universität Bielefeld, die Abteilung Psychosomatik der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen, die Techniker Krankenkasse, die mhplus Betriebskrankenkasse und die GWQ ServicePlus AG als Arbeitsgemeinschaft von Krankenkassen. Als Partner im Selektivvertrag nimmt der Berufsverband der Frauenärzte teil. Kooperationspartner sind die AOK Baden-Württemberg, die Barmer Ersatzkasse und die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Geldgeber für das Projekt ist der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland.
Weitere Informationen unter www.mindpregnancy.de
„Das Programm schließt eine Versorgungslücke, denn bisher erfolgt keine systematische Erhebung der psychischen Belastung von Schwangeren im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen.“
Prof. Dr. Markus Wallwiener, Geschäftsführender Oberarzt der Heidelberger Universitäts-Frauenklinik
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Weitere Kurzmeldungen aus der Forschung:
Molekulare Diagnostik bei Lungenkrebs-Patienten für passgenaue Behandlung
Mit einer kombinierten DNA- und RNA-Analytik bei Lungenkrebs lassen sich Hochrisikopatienten frühzeitig erkennen, die Behandlung verbessern und Hinweise auf neue Therapieansätze gewinnen. Das haben die Teams um Prof. Dr. Albrecht Stenzinger, Institut für Pathologie, und Prof. Dr. Michael Thomas von der Thoraxklinik anhand von Gewebeproben von 3.000 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom gezeigt. Die Kombi-Analyse geht weit über aktuelle diagnostische Standards hinaus, ist aber genauer als diese und mit kleinsten Probenmengen in der Routinediagnostik durchführbar. Die Daten sind Voraussetzung für neue zielgerichtete Therapien, die derzeit entwickelt werden. „Durch eine passgenaue Auswahl der Therapie lassen sich die Ansprechrate sowie die Zeit ohne Fortschreiten der Erkrankung – im Vergleich zur Chemotherapie – zumindest verdreifachen“, so die Studienleiter.
Neuer High-Tech-Scanner für Krebsgewebe
Die Abteilung für Angewandte Tumorbiologie des Instituts für Pathologie freut sich über einen neuen „Kollegen“, der von der IT-Firma NEC Laboratories Europe GmbH im Rahmen einer Forschungskooperation zur Verfügung gestellt wird: Ein über 100.000 Euro teurer High-Tech-Scanner wird Gewebeproben aus Tumoren digitalisieren. Denn um zu erforschen, ob man Gewebeproben auch auf digitalem Wege analysieren kann, benötigt man sehr hoch aufgelöste digitale Bilder. „Unser Ziel ist es, digitale Verfahren auf Basis künstlicher Intelligenz zu entwickeln, die es ermöglichen, Aussagen zur klinischen Biologie von Tumoren zu treffen“, sagt Prof. Dr. Magnus von Knebel Doeberitz, Ärztlicher Direktor der Abteilung. Diese Digitalisierung ermöglicht die Anwendung neuartiger maschineller Lerntechniken für eine Vielzahl von Fragestellungen und soll u. a. die Forschung auf dem Gebiet der Immuntherapie gegen Krebs beschleunigen.
2,7 Millionen Euro für MS-Forschung
Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem körpereigenes Nervengewebe an, Nervenzellen sterben ab. Könnte ein gestörter Kalzium-Haushalt der beteiligten Zellen Ursache und Antrieb der chronischen Erkrankung sein? Hinweise darauf gibt es. Dieser Frage geht daher die Forschungsgruppe „Kalzium-Homöostase bei Neuroinflammation und -degeneration“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unter Federführung von Prof. Dr. Ricarda Diem, Neurologische Klinik, und Prof. Dr. Veit Flockerzi, Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität des Saarlandes, nach. Die DFG unterstützt die Gruppe in der zweiten Förderperiode für weitere drei Jahre mit insgesamt 2,7 Millionen Euro. Zusätzliches Ziel ist es, Ansatzpunkte für neue Therapien zu identifizieren, die regulierend in den Kalzium-Haushalt von Immun- oder Nervenzellen eingreifen können.
Frühe Inhalationstherapie hilft Babys mit Mukoviszidose
Babys mit der angeborenen Multiorganerkrankung Mukoviszidose profitieren von einer sehr früh einsetzenden Inhalationstherapie mit hypertoner (Salzgehalt über dem des Lungensekrets) Kochsalzlösung. Ihre Lungenfunktion verbessert sich und sie nehmen im Lauf eines Jahres mehr an Gewicht zu als Patienten, die eine isotone (Salzgehalt dem Lungensekret entsprechend) Salzlösung inhalieren. Zu diesem Ergebnis kam eine multizentrische Studie im Deutschen Zentrum für Lungenforschung unter Federführung des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin mit 42 Babys. Dies ist weltweit die erste abgeschlossene kontrollierte Studie zu einer präventiven Therapie in diesem Alter, da erst seit kurzem nicht-invasive Methoden zur Erfassung früher Lungenschäden zur Verfügung stehen. Angesichts der hervorragenden Ergebnisse kann die präventive Inhalationstherapie nun für Säuglinge und Kleinkinder mit Mukoviszidose empfohlen werden.
Intervallfasten: Kein Vorteil gegenüber herkömmlichen Diäten
Intervallfasten hilft beim Abnehmen und fördert die Gesundheit – allerdings nicht besser als herkömmliche Reduktionsdiäten. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Klinikums mit der HELENA-Studie, der bislang größten Untersuchung zum Intervallfasten. Ihr Fazit: Es gibt viele Wege zu einem gesünderen Gewicht, daher gilt: Just do it! Denn Körper und Gesundheit profitieren auf jeden Fall von einer Gewichtsreduktion, sofern diese auf der Grundlage einer ausgewogenen Ernährung erfolgt. An der Studie nahmen über einen Zeitraum von einem Jahr 150 übergewichtige und fettleibige Probanden teil. Ein Teil hielt zwölf Wochen lang eine herkömmliche Reduktionsdiät, bei der die tägliche Kalorienaufnahme um 20 Prozent gesenkt wurde. Eine zweite Gruppe fastete an zwei Tagen pro Woche, so sparten sie über die gesamte Woche ebenfalls 20 Prozent Kalorien ein.
Testosteron aktiviert Risiko-Gene für Autismus
Autismus tritt viermal häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf. Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Humangenetik um Prof. Dr. Gudrun Rappold haben dafür nun erstmals eine Erklärung gefunden: Ihre Untersuchungen an menschlichen Zellen und Gehirnbereichen von Mäusen zeigten, dass das männliche Geschlechtshormon Testosteron in der Zeit vor und nach der Geburt bestimmte Risiko-Gene (SHANK1, 2 und 3) im Gehirn deutlich stärker aktiviert. Bisher war nur bekannt, dass Defekte in diesen speziellen Genen ein starker Risikofaktor für das Auftreten der neuronalen Entwicklungsstörung sind. Die neuen Ergebnisse lassen nun darauf schließen, dass sich diese Gendefekte möglicherweise stärker auf das Gehirn männlicher als weiblicher Individuen auswirken.
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