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Neue Heimat Hautklinik

23. Oktober 2018

Abdoulie Manneh floh 2016 aus Gambia und bringt sich nun mit Herzblut und Optimismus in der Krankenpflege ein

Ginge es nach den Kolleginnen und Kollegen in der Hautklinik, hätten sie „ihren“ Abdoulie wohl schon längst adoptiert: „Das ist wie eine Familie für mich. Das Team hat mir alles gegeben: Unterstützung, Hilfe bei der Wohnungssuche, Geld, die Möglichkeit, zu lernen, alles“, sagt der 31-jährige Lehrer, der im Oktober 2016 aus Gambia nach Deutschland floh. Genauer aus Italien nach Deutschland, denn dort trat der Sportler bei einem internationalen Laufwettbewerb im Halbmarathon an. „Ich bin dann nicht mehr mit zurückgegangen“, erzählt er, ohne auf die genauen Hintergründe seiner Flucht einzugehen. Über die Verhältnisse in seinem Heimatland Gambia ist wenig bekannt: 22 Jahre herrschte Diktator Yahya Jammeh, der das Land nach außen abschottete. Es gibt Berichte über willkürliche Verhaftungen und Hinrichtungen, Entführungen und Folter. 2017 gelang dem Land allerdings ein unblutiger Machtwechsel. Wie es sich nun weiter entwickelt, ist noch offen.

Klar ist jedenfalls: Gambia zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, es gibt kaum Arbeit und Perspektiven. „Ein Studium kann sich zuhause kaum jemand leisten“, so Abdoulie Manneh. Aber genau das ist ein Traum des wissbegierigen jungen Mannes, am liebsten würde er Medizin, Biologie oder Informatik studieren. „Bildung ist der Schlüssel, um die eigene Situation zu verbessern“, ist er überzeugt. Entsprechend zielstrebig ging er seine Zeit in Deutschland an: In den letzten zwei Jahren brachte er sich selbst die deutsche Sprache bei: „Solange ich noch nicht arbeiten durfte, saß ich von morgens bis abends in der Bibliothek und habe gelesen, gelesen, gelesen, ob ich es verstanden habe oder nicht. Dann kam es von allein, einen Deutschkurs habe ich nicht besucht.“

Seine erste Station in Deutschland war Hamburg, wo er Asyl beantragte. Eine Bekannte dort empfahl ihm wegen seines medizinischen Interesses, nach Heidelberg zu gehen. Im September 2017 begann er ein zweimonatiges Praktikum auf der Bettenstation der Hautklinik, im November einen einjährigen Bundesfreiwilligendienst. Die Krankenpflege liegt ihm: „Es macht Spaß und ich bin sehr daran interessiert, alles zu lernen und auch am Patienten anzuwenden. Das ist sehr wichtig“, sagt er. Mit dieser Einstellung begeistert er nicht nur die Kolleginnen und Kollegen des Pflegeteams. Auch zu den Patienten hat er einen guten Draht. Das ist gar nicht so schwer, findet er: „Man muss auf jeden Fall mit dem Herzen arbeiten. Ich bin immer aufmerksam mit den Patienten, und dann kommt man auch miteinander zurecht.“

„Bildung ist der Schlüssel, um die eigene Situation zu verbessern.“

Abdoulie Manneh

Inzwischen geht er dem Pflegeteam tatkräftig zur Hand, übernimmt pflegerische Aufgaben vom Waschen und Eincremen bis zum Verbandswechsel. Gerade ist er für die Patientenaufnahme zuständig und pflegt Daten in den Rechner ein. Eigentlich fehlen ihm nun nur noch die theoretischen Grundlagen, sagt er. Aber Abdoulie Manneh wäre nicht Abdoulie Manneh, wenn er dafür nicht auch schon einen konkreten Plan in petto hätte: Er hat sich um einen Ausbildungsplatz in der Akademie für Gesundheitsberufe (AfG) Heidelberg beworben und wurde dort Ende September zum Vorstellungsgespräch erwartet. Wenn es gut läuft – das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest – kann er im April 2019 mit der Ausbildung zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger beginnen. „Das würde ich am liebsten machen, denn ich arbeite sehr gerne mit Kindern“, so Manneh. Und wenn es nicht klappt? Für den Fall würde der 31-Jährige eine Verlängerung des Bundesfreiwilligendienstes beantragen. „Ich denke immer positiv. Ich habe schon so viel geschafft und wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg.“ Das Team der Hautklinik drückt auf jeden Fall ganz fest die Daumen, dass Abdoulie Manneh seine Träume in Deutschland verwirklichen kann.

Auch sportlich hat er im Neuenheimer Feld eine neue Heimat gefunden: Er läuft beim TSG 78 Heidelberg e.V., nimmt mit dem Vereinsteam seit 2017 an Wettbewerben der Region teil. „Laufen ist meine Medizin, wenn ich laufe, fühle ich mich wohl,“ sagt der ehemalige Profiläufer. Im nächsten Jahr würde er gerne beim Benefizlauf des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen mitmachen, bestenfalls im Team der Akademie.  Bei so vielen Plänen für die Zukunft hat Heimweh kaum eine Chance: „Hier ist meine neue Heimat. Ich habe etwas zu tun, ich bin glücklich.“

Tina Bergmann

Drei Fragen an… Abdoulie Manneh

Häufig hört man in den Medien über Vorbehalte und Anfeindungen gegenüber Flüchtlingen. Haben Sie das auch schon einmal erlebt?

Bisher hat sich erst einmal ein Patient darüber beschwert, dass er von einem Schwarzen versorgt wurde. Aber ich sagte ihm: „Das ist jetzt nicht Ihre Baustelle. Ich möchte mit Ihnen über Ihre Herztabletten reden.“ Im Allgemeinen verstehe ich mich mit den Patienten sehr gut, viele haben mich schon auf einen Kaffee eingeladen. Man muss immer das Beste aus einer Situation machen und auf jeden Fall darüber nicht vergessen, zu lachen und Spaß an seiner Arbeit zu haben. Dann kommt man damit klar.

Was haben Ihre Familie und Ihre Freunde zu Ihren Fluchtplänen gesagt?

Meine Laufkollegen wussten nichts davon. Als ich ihnen in Rom sagte, dass ich nicht mehr mit nach Hause komme, sagten sie: „Das kannst du nicht machen.“ Meine Eltern und meine sechs Geschwister haben sofort gesagt: „Du kannst das schaffen.“ Sie sind sehr stolz auf mich.

Was gefällt Ihnen an Deutschland?

Bildungssystem und -möglichkeiten hier sind etwas Besonderes und auch die Kinderbetreuung ist in meinen Augen sehr gut: In Deutschland werden die Leute speziell für den Umgang mit Kindern ausgebildet – im Krankenhaus wie im Kindergarten. Kinder sind unsere Zukunft. Sie und ihre Gesundheit zu schützen, ist wichtig und sinnvoll.

Außerdem berührt es mein Herz, wie häufig die Integration in Deutschland gut funktioniert. Es ist schön, dass sich verschiedene Kulturen kennenlernen und Menschen aus unterschiedlichen Ländern etwas gemeinsam machen können.

Aber das Wichtigste für mich: Ich liebe die Hautklinik von ganzem Herzen und will den Kolleginnen und Kollegen treu bleiben. Das Team hier ist so besonders. Man findet Glück nicht in Jahren, Wochen oder Tagen, sondern in jedem Augenblick. Ich bin sehr glücklich und stolz darauf, hier zu sein.

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