von Prof. Dr. Astrid Riehl-Emde, Paar- und Familientherapeutin, Institut für medizinische Psychologie
Lässt sich vorhersagen, ob eine Ehe glücklich wird? Lassen sich Trennungsrisiken voraussehen? Welche Kriterien gibt es für eine gelingende Paarbeziehung? Vermutlich beschäftigen diese Fragen die meisten Menschen, die eine verbindliche Zweierbeziehung suchen oder bereits gefunden haben.
Paarforscher haben sich schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit derartigen Fragen befasst. Zunächst interessierte sie, wie ein Mensch beschaffen sein muss, um eine glückliche Ehe zu führen. Etwa ab 1970 setzte sich die Auffassung durch, dass Merkmale zu Beginn der Ehe wenig darüber aussagen, was im Verlauf dieser Ehe passieren wird. Die Betrachtungsweise verschob sich von sogenannten „harten“ Daten (z. B. Herkunft, Klassenzugehörigkeit) und damit auch weg von Merkmalen aus der Vergangenheit beider Partner, hin zu mehr „weichen“ Daten, vor allem zum Interaktionsverhalten des Paares. Die Forschung identifizierte eingeschränkte Kommunikations- und Problemlösefähigkeiten der Partner als wichtige, wenn nicht sogar als die wichtigsten Faktoren für das Scheitern von Ehen.
Dass der Schlüssel für gelingende Beziehungen allein in den Kommunikationsfertigkeiten liegt, darf inzwischen bezweifelt werden, denn auch ohne liebevolle Verbundenheit kann konstruktiv kommuniziert werden; und es gibt Liebesbeziehungen, denen Kommunikationsschwierigkeiten kaum etwas anhaben können. Aus Studien wissen wir, dass viele Paare immer wieder wegen derselben Themen heftig streiten, ohne eine Lösung zu finden. Manche dieser Paare schaffen es, einen solchen Streit versöhnlich abzuschließen, während andere im Laufe der Zeit zynischer und verachtender reagieren.
„Die meisten Paare streiten – entscheidend ist, wie ein Streit beendet wird.“
Kommunikationsfertigkeiten können trainiert werden, Sprecher- und Zuhörerfertigkeiten können eingeübt werden – konstruktive Kommunikation ist in allen Bereichen, in denen Menschen miteinander zu tun haben, sehr hilfreich und sinnvoll. Ist sie aber tatsächlich die beste Prävention für das Scheitern von Ehen? Wir wissen, dass die meisten Paare, die ihre Ehe als glücklich bezeichnen, im Streitfall keineswegs aktives Zuhören praktizieren. Wichtiger sind emotionale Nähe und Zuneigung des Paares. Wer dem Partner grundlegend vertraut, ist bei Streitgesprächen in der Lage, mit Humor oder mit Hilfe einer liebevollen Geste die Situation zu retten.
Die meisten Paare streiten – entscheidend ist, wie ein Streit beendet wird: Es ist fatal und schadet der Beziehung, bis zum Äußersten zu gehen und den anderen abzuwerten, zu beschimpfen oder sogar körperlich anzugreifen. Es kommt vielmehr darauf an, wie und in welchem Ausmaß gestritten wird. Es muss einen Raum für Meinungsverschiedenheiten und strittige Themen geben, alles unter den Teppich zu kehren ist auch gefährlich. Empfehlenswert ist allerdings, Eskalationen rechtzeitig zu stoppen, den Respekt voreinander zu pflegen, höflich miteinander umzugehen.
Was ist noch wichtig? Jeder ist für sich verantwortlich und sollte diese Verantwortung nicht dem Partner zuschieben. Einen erträglichen Umgang mit der jeweiligen Unterschiedlichkeit finden. Auch mal alleine etwas unternehmen, wenn der andere nicht mitmacht. Großzügig über gewisse Marotten hinwegsehen. Und vor allem natürlich Zuneigung, Zärtlichkeit, Liebe. Die Liebe vereinfacht sogar eine schwierige Beziehung. Und was ist das Geheimnis einer langen Liebe? Das ist nach wie vor unbekannt und das ist auch gut so. Das Geheimnis um die Liebe ist ein wesentlicher Bestandteil für deren Fortbestehen. Würde das Geheimnis gelüftet, könnte die Liebe vergehen.