Seit acht Jahren engagiert sich Prof. Dr. Martin Zeier, Ärztlicher Leiter des Nierenzentrums, für zahlreiche Projekte in Sambia
„Gerade organisiere ich Ausbildungsmaterialien für Krankenschwestern und -pfleger in Sambia. Mal sehen, ob irgendwo Biologie- oder Anatomie-Lehrbücher nicht mehr gebraucht werden“, berichtet Professor Dr. Martin Zeier, Ärztlicher Leiter des Nierenzentrums. Ende letzten Jahres sammelte er noch Geld für Medikamente und konnte eine Lieferung im Wert von 7.000 Euro zu den von ihm initiierten Projekten in der Hauptstadt Lusaka schicken – die Lufthansa Stiftung ermöglichte einen kostengünstigen Transport. Im Dezember 2017 war er mit seiner Frau Kornelia erst selbst vor Ort, prüfte Untersuchungsergebnisse eines gerade abgeschlossenen Projekts zu Entwicklung und HIV-Prophylaxe von Kindern infizierter Mütter und traf Vorbereitungen zum Start eines Folgeprojekts. Nicht zu vergessen sein Engagement für eine Schule mit angeschlossenem Mädchen-Internat in Siavonga. „Arbeit und Ideen gibt es genug“, so Zeier.
Letztere scheinen ihm geradewegs zuzufliegen – aus einem vorherigen Projekt heraus, im Gespräch mit Ärzten oder Bekannten vor Ort oder beim Herumfahren. „Mich reizen vor allem die wissenschaftlichen Aspekte daran“, so der Mediziner. „Und es macht Spaß, weil man etwas Sinnvolles tut.“ Angefangen hat alles mit einem Auslandsaufenthalt seiner Nichte 2010. Darüber ergaben sich Kontakte zu einer Klinik mit HIV-Ambulanz in Lusaka – und der fachliche Austausch über Nierenerkrankungen bei HIV-Infizierten: Denn diese haben dafür ein erhöhtes Risiko – durch die Infektion selbst, und auch durch die Medikamente. Da Diagnostik und Behandlung weitgehend fehlen, ist das Nierenversagen meist unausweichlich. Der Nierenspezialist initiierte ein gemeinsames Projekt des Universitätsklinikums mit der sambischen Hilfsorganisation CHRESO Ministries, mit dem Ziel, Prävention, Diagnostik und frühe Behandlung chronischer Nierenschäden bei HIV-Infizierten zu verbessern. Finanziert wurde das Projekt von der Else Kröner Fresenius-Stiftung (EKFS).
„Es macht Spaß, weil man etwas Sinnvolles tut.“
Bei seinen regelmäßigen Besuchen ist er häufig selbst in der neu gegründeten Nieren-Ambulanz tätig und traf dabei auch Mütter mit Neugeborenen. „Da hat es mich schon interessiert, ob man durch Beratung und Behandlung sicherstellen kann, dass die Kinder nicht infiziert werden“, erinnert er sich. Die Idee für eine spezielle Ambulanz für HIV-positive Mütter mit Neugeborenen war geboren. Auch dafür konnte er eine umfangreiche Förderung der EKFS einwerben. Das Ergebnis der begleitenden Studie: Es funktioniert, auch Stillen ist gefahrlos möglich. Die Babys entwickeln sich gut. „Nach dem Abstillen fallen sie allerdings zurück, weil sie dann zuwenig Proteine bekommen“, erläutert Zeier. „Das ist kein Problem speziell der HIV-positiven Mütter. Die Frauen sind meistens noch sehr jung und wissen nicht, wie sie ihr Kind richtig ernähren.“ Hier soll daher jetzt ein neues Schulungsprogramm ansetzen: Eigens ausgebildete Beraterinnen informieren die Mütter vor Ort, wie gute Baby-Nahrung mit den verfügbaren Mitteln zusammengestellt und zubereitet werden kann. Ein Finanzier muss noch gefunden werden.
Das Schulprojekt in Siavonga – zu dem die Zeiers eher zufällig kamen – soll vor allem die Chancen von Mädchen und jungen Frauen verbessern. Häufig bereits mit 14 Jahren verheiratet und ohne Schulabschluss, bleibt ein selbstbestimmtes Leben für sie unerreichbar. Gemeinsam mit Partnern vor Ort engagierten sich Martin und Kornelia Zeier für den Bau von Wohnheimen, in denen die rund 150 Schülerinnen der Schule kostenlos unterkommen können. Das 2017 in Berieb genommene Computer-Kabinett, für das sie im Jahr 2014 private Spenden sammelten – von „Brot für die Welt“ dann verdoppelt – soll die Schülerinnen und Schüler fit für Ausbildungsplatz oder Studium machen. Eines ist ihm dabei sehr wichtig: Alle Aktivitäten und Maßnahmen sind von staatlicher Seite abgesegnet, werden mit den Verantwortlichen vor Ort umgesetzt und bauen auf die vorhandene Infrastruktur auf. „Sonst würde es nicht auf Dauer funktionieren“, betont Professor Zeier.
Ambulanzen, Studien, Beratungen, Schule – das sind noch längst nicht alle Aktivitäten. Die Fülle von laufenden und geplanten Projekten wird inzwischen von der 2017 von ihm mitbegründeten Stiftung Meducare begleitet. Auf die Frage nach seiner Motivation antwortet er schlicht: „Ich bin neugierig und es macht unglaublich viel Spaß. Dazu kommen die Möglichkeiten durch Unterstützer.“ Tina Bergmann
Drei Fragen an… Martin Zeier, Ärztlicher Leiter des Nierenzentrums
Zweimal im Jahr fliegen Sie mit Ihrer Frau nach Sambia, organisieren aber auch viel von Deutschland aus. Wie viel Zeit investieren Sie insgesamt in Ihre Projekte?
Die meiste Zeit fließt in das Schreiben von Anträgen und die Organisation der Finanzen. Für das Nieren- und das Kinderprojekt hatte ich die administrative Unterstützung von Christine Thome und Eleonore Fritsch vom Nierenzentrum. Das hat sehr geholfen, und die Arbeit ist dann gut und schnell erledigt. Ansonsten verbringe ich meinen Urlaub vor Ort mit den Projektaufgaben. Allerdings möchte ich auch die Mitarbeiter des Instituts of Public Health erwähnen – Andreas Deckert, Claudia Beiersmann, Tom Bruckner und noch viele andere – die vor allem bei der Nierenstudie unglaublich viel geholfen haben und sich auch der Auswertung der Daten angenommen haben. Ohne deren Hilfe hätte das ambitionierte Nierenprojekt nie zum Erfolg reichen können.
„Wichtig ist es, die Menschen mitzunehmen und sie für die Projekte zu begeistern.“
Wenn Sie von Ihren Projekten berichten, klingt das fast schon einfach. Sicher ist es das nicht. Was sind bzw. waren die größten Herausforderungen und Schwierigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen hatten oder haben?
Zunächst einmal muss man sich als Europäer auf die Situation in Subsahara-Afrika einstellen. Wichtig ist es, die Menschen mitzunehmen und sie für die Projekte zu begeistern. Da die Mitarbeiter von Chreso Ministries bereits genug zu tun haben, bedarf es schon einer besonderen Motivation ihrerseits. Es fehlt außerdem an vielem, das fängt schon mit der Dokumentation der Patientendaten an. Hinzu kommen sprachliche Barrieren: Englisch ist zwar die Amtssprache, die Patienten sprechen aber manchmal nur die einheimischen Dialekte. Leider kommt es immer wieder zu Stromausfall, ca. ein bis zwei Stunden pro Tag, sodass man tunlichst an die regelmäßige Zwischensicherung von Daten denken sollte, um keinen Verlust zu riskieren. Durch Überspannung ist auch schon manches medizinische Gerät zerstört worden. Die Liste wäre lang, aber Probleme sind ja zum Lösen da. Noch eine kleine Illustration der Unterschiede zwischen Deutschland und Sambia: Wir sind als Nephrologie des Universitätsklinikums Heidelberg eine „renal sister clinic“ des Lusaka Teaching Hospitals. Zwei Kollegen von dort konnten wir mit einem Stipendium der International Society of Nephrology hier ausbilden. Einen von ihnen habe ich danach gefragt: „Was ist Dir denn in Deutschland besonders aufgefallen?“ Seine Antwort: „Dass der Bus immer zur gleichen Zeit gefahren ist.“ Für uns nichts Besonderes, für ihn machte es den Unterschied.
Gibt es ein Erlebnis in Sambia, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Das Lachen der Menschen, obwohl es wenig zu lachen gibt. Die unbeschreibliche Schönheit der Landschaft, z. B. das Luangwatal oder die Victoriafälle. Und das phantastische Resultat der Kinderstudie: Dass sich von knapp 300 Säuglingen nach zwei Jahren keines der Kinder mit HIV infizierte, Dank der Dauertherapie der Mutter mit ART-Medikamenten.