Katastrophenschutz- und Evakuierungsübung mit über 280 Klinikums-Mitarbeitern
Eine Katastrophenschutzübung in diesem Ausmaß hatte es in Baden-Württemberg bisher noch nicht gegeben: Mitte November übten in Heidelberg über 400 Teilnehmer aus neun verschiedenen Organisationen und etwa 70 Patientendarsteller für den Ernstfall. Alleine 240 der Teilnehmer waren Mitarbeiter des Universitätsklinikums – und zwar quer durch alle Berufsgruppen und Hierarchieebenen hinweg. Das Besondere: Die Übung fand an vier verschiedenen Orten – auf dem Neckar, der Neckarwiese sowie in der Chirurgischen Klinik und der Kopfklinik – statt und beinhaltete eine aufwändige und schwierige Rettung der Verletzten von einem Schiff. Für das Klinikum bedeutete insbesondere die Erprobung eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) absolutes Neuland. Bei einer zeitgleich stattfindenden Übung in der Kopfklinik mussten 26 Personen von einer Station evakuiert werden. Hier waren 40 Mitarbeiter des Klinikums involviert.
„Die aktuelle Übung ging in diversen Bereich weit über das hinaus, was in der Vergangenheit trainiert wurde.“
Prof. Dr. Erik Popp, Klinik für Anästhesiologie, Leiter der Sektion Notfallmedizin und medizinischer Katastrophenschutzbeauftragter des Klinikums
„Die aktuelle Übung ging in vielen Bereichen weit über das hinaus, was in der Vergangenheit trainiert wurde“, so Prof. Dr. Erik Popp, Leiter der Sektion Notfallmedizin. Nach der Explosion auf dem Ausflugsschiff „Neckarsonne“ (siehe Hintergrund) dauerte es nur wenige Minuten, bis der Leitende Notarzt die Notambulanz der Chirurgischen Klinik von dem Unglück und den schwer verletzten Patienten in Kenntnis setzte. Mit Hilfe einer erstmals eingesetzten automatischen Alarmierung wurden Ärzte, Pflegepersonal und der Krisenstab des Klinikums informiert. Nun galt es, vom „normalen“ Klinikbetrieb umzuschalten und die Strukturen zur Bewältigung eines MANV zu schaffen. Dazu wurde in der Eingangshalle der Chirurgie ein „Sichtungstrichter“ eingerichtet, von dem aus die Patienten je nach Sichtungskategorie (rot = lebensbedrohlich verletzt; gelb = schwer verletzt; grün = leicht verletzt) ihrer weiteren Versorgung im Schockraum, Operationssaal oder Ambulanz zugeführt wurden. Dr. Martin Göring, Sektion Notfallmedizin und stv. medizinischer Katastrophenschutzbeauftragte des Klinikums: „Die Zusammenarbeit der beteiligten Fachgebiete und Berufsgruppen funktionierte reibungslos. Nach der Alarmierung wurden in kürzester Zeit die Voraussetzungen geschaffen, um eine große Anzahl an Verletzten aufnehmen zu können.“ Als gute Lösung für den Ernstfall erwiesen sich Materialwagen, die spezielles Equipment zur Bewältigung einer Großschadenslage enthalten.
„Die interprofessionelle Zusammenarbeit funktionierte reibungslos. Nach der Alarmierung konnte in kürzester Zeit vom normalen Klinikbetrieb in einen Notfallbetrieb umgeschaltet werden.“
Dr. Martin Göring, Klinik für Anästhesiologie, Sektion Notfallmedizin, stv. medizinischer Katastrophenschutzbeauftragter des Klinikums
Ebenfalls erstmals getestet wurden die elektronische Patientenregistrierung und ein zentraler Anlaufpunkt zur Erfassung der eintreffenden Mitarbeiter. Beide Punkte ermöglichten der Einsatzleitung im Casino der Chirurgischen Klinik einen schnellen Überblick über die Anzahl der aufgenommenen Patienten, die Schwere ihrer Verletzung sowie über das bereits anwesende Personal. Dr. Martin Göring: „Der Registrierung der alarmierten Mitarbeiter kommt im Ernstfall eine zentrale Bedeutung zu, um die personellen Ressourcen der entsprechenden Einsatzstelle – OP, Schockraum, Ambulanz oder Foyer Triagebereich, etc. – zuzuordnen.“
Nach Ende der Übung waren es 54 Patienten mit überwiegend lebensbedrohlichen Verletzungen, die binnen zwei Stunden vom Neckar in die Chirurgische Klinik gebracht wurden. Prof. Dr. Erik Popp: „Insgesamt hat die Übung gezeigt, dass unser Klinikum bereits über ein gutes Konzept zur Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten verfügt. Dieses gilt es jetzt in einzelnen Punkten zu optimieren.“
„Diese Großübung trägt dazu bei, dass das Universitätsklinikum Heidelberg gemeinsam mit den Partnern für einen Ernstfall gut vorbereitet ist. Wir danken allen, die diese Übung mit so großem Engagement unterstützt und ermöglicht haben, besonders den Ehrenamtlichen.“
Jürgen König, Einsatzleiter der Übung und Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung der Klinik Service GmbH des Universitätsklinikums Heidelberg
Einsatzleiter Jürgen König, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung der Klinik Service GmbH des Klinikums, war mit dem Gesamtablauf sehr zufrieden: „Das Zusammenspiel der beteiligten Einsatzkräfte hat reibungslos funktioniert. Diese Großübung trägt dazu bei, dass das Klinikum gemeinsam mit den Partnern für einen Ernstfall gut vorbereitet ist. Wir danken allen, die diese Übung mit so großem Engagement unterstützt und ermöglicht haben, besonders den Ehrenamtlichen“, sagt. „Wir werden den Übungsablauf gemeinsam detailliert auswerten und daraus wichtige Erkenntnisse für den Katastrophenschutz gewinnen.“
„Die Erkenntnisse der Evakuierungsübung in der Kopfklinik werden nun für die Verbesserung der Alarmierung und die Schaltung der Aufzüge genutzt.“
Barbara Bothe-Mackert, Kaufmännische Leiterin der Kopfklinik
Ab 18.45 Uhr fand in der Kopfklinik ein weiteres, internes Übungsszenario statt: Im Erdgeschoss kam es aufgrund eines Austritts einer unbekannten Flüssigkeit zu einer Gefährdungssituation, in deren Verlauf Schauspielerpatienten – gespielt von Mitgliedern der Jugendfeuerwehren – von der Augenklinik Richtung Medizinische Klinik evakuiert werden mussten. Nach der Alarmierung der Evakuierungshelfer (18.55 Uhr) und der Einberufung des Krisenstabs der Kopfklinik (18.57 Uhr) konnte um 19.06 Uhr mit der Evakuierung der Station begonnen werden. Schon um 19.29 Uhr waren alle Patienten am Sammelplatz registriert. Barbara Bothe-Mackert aus dem Krisenstab: „Die Erkenntnisse der Evakuierungsübung werden nun für die Verbesserung der Alarmierung von Evakuierungshelfer und Krisenstab sowie der Schaltung der Aufzüge genutzt.“ Die Kaufmännische Leiterin der Kopfklinik weiter: „Wir danken allen Akteuren für ihren Einsatz und freuen uns, dass die Evakuierung so schnell und reibungslos funktioniert hat.“
>> Hintergrund
Folgendes Übungs-Szenario hatte sich auf dem Neckar und der Neckarwiese abgespielt: Gegen 17 Uhr kam es auf dem Neckar auf dem Solarschiff „Neckarsonne“ 500 Meter flussabwärts der Wasserschachtel in Höhe der Insel zu einer Rauchentwicklung. Der Kapitän konnte gerade noch den Anker werfen und Notruf absetzen, dann brach der Kontakt ab. Als erstes traf ein Team der DLRG an der Neckarwiese ein: Ein Boot mit Besatzung und Sanitätsteam fuhr unverzüglich zur in der Flussmitte treibenden Neckarsonne. Dort bot sich den Erstrettern eine chaotische Szenerie: Die ca. 70 Unfalldarsteller, realistisch gespielt von Mitgliedern des Vereins „Emergency Simulation“ aus dem Saarland, lagen schwer verletzt auf dem gesamten Schiff – z. T. unter Tischen und Stühlen begraben. Nachdem das Ausmaß der Katastrophe klar war – es gab Verletzte mit offenen Knochenbrüchen, Verbrennungen, Wirbelsäulenverletzungen, offenen Bauchwunden u. v. m. – wurde ein Massenanfall von Verletzten (MANV) der Stufe 4 ausgerufen und die Alarmierungskette gestartet. Nun ging es Schlag auf Schlag: Innerhalb kurzer Zeit trafen die verschiedenen Rettungsorganisationen an der Neckarwiese ein. Während DLRG und THW mit insgesamt acht Booten die verletzten Patienten an Land brachten, riegelte die Polizei den Unfallort auf dem Fluss, die Straßen und die Neckarwiese großzügig ab. Ein mobiler Flutlichtmast des THW-Ortsverbands Haßmersheim in Baden-Württemberg sorgte für Licht. Zwischenzeitlich bauten Feuerwehr, Notärzte und Malteser auf der Neckarwiese einen provisorischen Behandlungsplatz mit Einsatzzentrale und mehreren Zelten auf. Die Patienten wurden noch am Ufer erstversorgt und einer Triage zugeführt: Wer ist lebensbedrohlich verletzt und muss sofort in die Klinik gebracht werden (rote Kategorie)? Wer ist „nur“ schwerverletzt und kann vorerst in einem der Behelfszelte versorgt werden (gelbe Kategorie)? Und wer ist noch gehfähig (grüne Kategorie)? Nach dieser Ersteinschätzung ging es für den ersten schwer verletzten Patienten um 18 Uhr in die Chirurgische Klinik, wo bereits Teams aus Ärzten und Pflegekräften bereit standen. Zwischen 18:04 und 20:06 Uhr wurden insgesamt 54 Patienten mit unterschiedlichen, überwiegend lebensbedrohlichen Verletzungen über den Sichtungsplatz in der Eingangshalle der Chirurgie aufgenommen und in die Behandlungsbereiche im Erdgeschoß verteilt. Nach dem Eintreffen und der Versorgung des letzten Patienten war die Übung um offiziell 20.10 Uhr beendet.
Ab 18.45 Uhr fand in der Kopfklinik ein weiteres, internes Übungsszenario statt: Im Erdgeschoss kam es aufgrund eines Austritts einer unbekannten Flüssigkeit zu einer Gefährdungssituation, in deren Verlauf 26 Schauspielerpatienten – gespielt von Mitgliedern der Jugendfeuerwehren – von der Augenklinik Richtung Medizinische Klinik evakuiert werden mussten. Nach der Alarmierung der Evakuierungshelfer (18.55 Uhr) und der Einberufung des Krisenstabs der Kopfklinik (18.57 Uhr) konnte um 19.06 Uhr mit der Evakuierung der Station begonnen werden. Schon um 19.29 Uhr waren alle Patienten am Sammelplatz registriert. Beteiligt aus der Kopfklinik waren 40 Personen u.a. aus der Augenklinik, Pflege, Verwaltung und dem Sicherheitsdienst der Klinik Service GmbH.
Die Katastrophenschutzübung im Steckbrief
Name: Neckar -Klinik 2017
Datum: Freitag, 10. November 2017 von 17 bis ca. 20 Uhr
Übungsziel: Erprobung einer Unfallsituation mit vielen Verletzten (Massenanfall von Verletzten –MANV).
Federführung: Universitätsklinikum Heidelberg
Beteiligte Institutionen: Feuerwehr Heidelberg, Polizeipräsidium Mannheim, Wasserschutzpolizei Baden-Württemberg, Technisches Hilfswerk (THW), Malteser Hilfsdienst, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Kreisverbindungskommando der Bundeswehr Heidelberg, Heidelberger Solarschifffahrtsgesellschaft mbH
Beteiligte Personen: 400
Davon Mitarbeiter des Klinikums: etwa 240 (Klinik Service GmbH – Abteilung Sicherheit und Ordnung und Parkraumbewirtschaftung; Anästhesie und Notfallmedizin, Unfallchirurgie/Orthopädie, Allgemeinchirurgie, Kinderchirurgie, Gefäßchirurgie, Radiologie, Anästhesie- und Intensivpflege, Normal- und Funktionspflege, Medizinisch-Technische Radiologieassistenz, Einsatzleitung des Klinikums bestehend aus Vorstand, KTG, Medizintechnik, Pressestelle etc.)
Patientendarsteller: 69 (Verein „Emergency Simulation“)
Einsatzfahrzeuge gesamt: ca. 50
Rettungsfahrzeuge: ca. 15
Rettungsboote: 8
Die Chronologie der Katastrophenschutzübung bei >> Twitter
Die Evakuierungsübung (Internes Szenario) in der Kopfklinik im Steckbrief
Evakuierung der Patienten einer Station der Augenklinik
Beteiligte Personen aus dem Klinikum: 40 (Augenklinik, Pflege, Verwaltung, Evakuierungshelfer, Sicherheitsdienst der Klinik Service GmbH, Krisenstab)
Patientendarsteller: 26 (Jugendfeuerwehr)