Facettenreicher Einblick in eine vergessene Krankheitswelt
Der holländische Maler Rembrandt verlor große Teile seiner Familie, darunter Ehefrau und mehrere Kinder, an die heimtückische Krankheit. Die Schriftsteller Friedrich Schiller und George Orwell, der Komponist Frédéric Chopin, der Philosoph Albert Camus oder auch Franz Kafka litten Zeit ihres Lebens ebenfalls an der Seuche, deren auslösendes Bakterium – das Mycobacterium tuberculosis – 1882 von Robert Koch erstmals beschrieben wurde. In der Kunst fand sich die auch als Schwindsucht, Weiße Pest oder Weißer Tod bezeichnete Infektionskrankheit ebenfalls wieder: Ob in den Malereien der Renaissance und später der Romantik, den berühmten Opern La Traviata, Hoffmanns Erzählungen und La Boheme oder im Roman Zauberberg von Thomas Mann – die todbringende Tuberkulose war allgegenwärtig, avancierte trotz aller Schrecken zur Modekrankheit in Literatur und Gesellschaft und wurde wie so vieles romantisiert.
Das Tuberkulose-Museum der Thoraxklinik bildet das Thema weniger verklärt und romantisch, aber sehr facettenreich ab: Im Mittelpunkt der fünf Räume im Rohrbacher Schlösschen stehen Entstehung, Verbreitung und Bekämpfung der Krankheit in Vergangenheit und Gegenwart. Nachbildungen menschlicher und tierischer Organe zeigen unterschiedliche Formen der Tuberkulose, die neben der Lunge auch andere Organe oder das Skelett befallen kann. Verschiedene chirurgische Instrumente sowie medizinische Geräte stellen therapeutische Ansätze vor, die zum Einsatz kamen, bevor die Krankheit in weiten Teilen der Welt durch den gezielten Einsatz von Antibiotika ihren Schrecken verlor: So versuchte man z. B. mit einem Apparat zur Pneumothoraxtherapie einen künstlich hervorgerufenen Lungenkollaps zu erzeugen – in der Hoffnung, dass dadurch Löcher im Gewebe zuwachsen. Neben einem Originalmikroskop von Robert Koch sind auch Röntgenbilder zu sehen, mit deren Hilfe die Diagnose der Tuberkulose erst ermöglicht wurde.
Aufklärungsmaterialien, zahlreiche Poster mit Hinweisen zur Hygiene, „Nicht spucken“-Schilder, Tuberkulose-Briefmarken und der „Blaue Heinrich“ – eine Taschenflasche für Hustende – belegen die gesellschaftliche Relevanz der Krankheit. Auch das oben beschriebene Vorkommen der Tuberkulose in Kunst und Literatur wird aufgegriffen. Ergänzt werden die Exponate, die vor allem aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen, durch historische Fotos sowie erklärende Texte, Grafiken und Statistiken. Neuerdings bekommen die Besucher auch ein Skelett aus der Jungsteinzeit zu sehen, das durch Tuberkulose verursachte Veränderungen der Wirbelsäule aufweist.
Besichtigungen des Tuberkulose-Museums sind nach vorheriger Anmeldung möglich:
E-Mail: fuehrungen@tb-archiv.de
Tel.: 06221 396-2101
In unserer Online-Bildergalerie stellen wir das Museum und einige Ausstellungsstücke vor:
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Weltweit ist ein Drittel der Bevölkerung mit Tuberkuloseerregern infiziert. Laut WHO erkranken jährlich neun Millionen Menschen an der von Mykobakterien verursachten Krankheit, etwa 1,6 Millionen versterben daran. Kaum vorzustellen, dass in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Tuberkulose fast der Vergangenheit angehört. Wer sich trotzdem – oder gerade deshalb – für die auch als Schwindsucht bezeichnete Krankheit interessiert, ist im Tuberkulose-Museum im Rohrbacher Schlösschen bestens aufgehoben. |
Besichtigungen des in fünf Räumen untergebrachten Museums sind nach vorheriger Anmeldung möglich (E-Mail: fuehrungen@tb-archiv.de; Tel.: und Tel. 06221 396-2101). | ![]() |
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Ausgestellt sind u. a. verschiedene chirurgische Instrumente und medizinische Geräte, die zur Behandlung der Tuberkulose zum Einsatz kamen. |
Ergänzt werden die Exponate, die vor allem aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen, durch historische Fotos sowie erklärende Texte, Grafiken und Statistiken. | ![]() |
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Bei der Zahl der Tuberkulosefälle in Deutschland geht der Trend weiter leicht nach oben. Im Jahr 2016 registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) 5.915 Erkrankungen. 2015 waren es 5.852, teilte das Institut mit. Damit sind die Zahlen nach einem Tiefststand im Jahr 2012 (4112 Fälle) deutlich angestiegen. |
Modell von Tuberkulosebakterien auf einem Stecknadelkopf. Der wichtigste Erreger der Tuberkulose – das Mycobacterium tuberculosis – ist ein aerobes gram-positives Stäbchen-Bakterium, das sich alle 16 bis 20 Stunden teilt. Fast immer werden Tuberkelbakterien von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion, also über die Luft, übertragen. | ![]() |
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Dieses Modell zeigt verschiedene Stadien einer Lungentuberkulose. Neben der Lunge kann die Krankheit auch andere Organe oder das Skelett befallen. |
Der blaue Heinrich war eine Taschenflasche für Hustende und somit ein „Spucknapf“ für unterwegs. Er sollte von Tuberkulosekranken in Heilanstalten mit sich getragen werden, um die Gefahr der Tröpfcheninfektion zu reduzieren. Zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung der Keime gab es auch detaillierte Anweisungen, wie ein Spucknapf zu reinigen und sein Inhalt zu entsorgen war. | ![]() |
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Ansonsten galt in öffentlichen Bereichen wie z. B. Bahnhöfen zur „Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege“ ein absolutes Spuckverbot. |
Fieberkurve eines Tuberkulose-Patienten, gekennzeichnet durch einen remittierenden Fieberverlauf. Dabei schwanken die Temperaturen am Morgen und am Abend um 1 bis 2°C. Morgens ist die Temperatur geringer als am Abend. Der Patient ist aber in der Regel nicht fieberfrei. | ![]() |
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Patienten verbrachten in Lungenheilanstalten mehrere Stunden in Decken eingewickelt an der frischen Luft liegend, bei Redeverbot und ohne jegliche Ablenkung. Im Rohrbacher Schlösschen, in dem die Ausstellung untergebracht ist, wurden nach dem Ersten Weltkrieg tuberkulosekranke Kriegsheimkehrer behandelt. Das Schlösschen ist somit die Keimzelle der heutigen Thoraxklinik. |
Therapieversuch vor dem Einsatz von Antibiotika: Mit einem Apparat zur Pneumothoraxtherapie versuchte man, einen künstlich hervorgerufenen Lungenkollaps zu erzeugen – in der Hoffnung, dass dadurch die von der Tuberkulose verursachten Löcher im Gewebe wieder zuwachsen. | ![]() |
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Insbesondere bei der Lungentuberkulose ist das Röntgenbild nach wie vor ein unverzichtbares diagnostisches Verfahren, um Infektionsherde zu lokalisieren, ihre Größe zu erfassen, Komplikationen zu erkennen und den Verlauf der Erkrankung beziehungsweise das Anschlagen der Medikamente zu verfolgen. Bei einer aktiven Erkrankung können Kavernen, tuberkulöse Infiltrate, kleinere Rundherde und vergrößerte Lymphknoten sichtbar sein. |
Erst Mitte des 20. Jahrhunderts standen die ersten antibiotischen Medikamente zur Bekämpfung der Tuberkulose zur Verfügung. In den 1950er Jahren wurde Isoniazid und in den 60er Jahren Ethambutol, Rifampicin und Pyrazinamid in die Therapie der Tuberkulose eingeführt, die noch heute die wichtigsten Medikamente zur Behandlung der Erkrankung sind. Erforderlich ist immer eine Kombinationstherapie aus verschiedenen Antibiotika. | ![]() |
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6.000 Jahre altes Tuberkulose-Skelett, das durch Tuberkulose verursachte Veränderungen der Wirbelsäule aufweist. Das Skelett wurde 1905 aus einer Begräbnisstätte geborgen, die im sogenannten städtischen Grubenhof Heidelberg lag. Kurze Zeit später untersuchte der Anatom Dr. Paul Bartels das Skelett erstmals wissenschaftlich und wies durch Tuberkulose bedingte Deformationen der Wirbel nach. |
„Tbc bedroht dich! Frühzeitig erkannt ist Tuberkulose heilbar. Darum bei geringstem Verdacht sofort zur Lungentuberkulose-Fürsorgestelle“. So steht es auf diesem historischen Plakat, das im Museum zu sehen ist. | ![]() |
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Das Tuberkulose-Bakterium befällt nicht nur Menschen, sondern auch Tiere. Das Mycobacterium bovis ist z. B. ein beim Rind vorkommendes Bakterium und ist Erreger der Tuberkulose der Rinder. Mycobacterium bovis kann auch auf den Menschen sowie andere Haustiere (Ziegen) übertragen werden. Die Infektion des Menschen erfolgt vor allem durch nicht-pasteurisierte Milch, ist aber in den industrialisierten Ländern mittlerweile sehr selten. |
Diese Hinweisschilder wiesen in der Vergangenheit auf einen tuberkulosefreien Rinderbestand hin. | ![]() |
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Tuberkulose wurde immer schon in Kunst und Literatur thematisiert. Viele Künstler wie z. B. der Maler Edvard Munch, Bahnbrecher für die expressionistische Richtung in der Malerei der Moderne, waren selbst von Tuberkulose betroffen. In dem Bild „Das kranke Kind“ verarbeitet Munch die Tuberkuloseerkrankung und den Tod seiner älteren Schwester Sophie.
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Integriert in das Museum ist das im Jahr 1996 von Dr. Robert Kropp in Fulda gegründete Deutsche Tuberkulose-Archiv. Im Jahr 2010 beschloss Kropp dann, das Archiv zusammen mit den zusätzlich gesammelten Materialien der Thoraxklinik Heidelberg zu überstellen. Offiziell eingeweiht wurde das Tuberkulosemuseum in der Thoraxklinik am 1. Dezember 2011. | ![]() |
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Das Archiv umfasst mittlerweile über 6.000 Bücher und Schriftstücke, die sich mit der Erkrankung Tuberkulose beschäftigen. Diese stammen vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als der Tuberkulose eine große medizinisch-ärztliche, wissenschaftliche und gesundheitspolitische Bedeutung zukam. Das Archiv ist insofern eine echte Fundgrube für die medizinhistorische Forschung und kann zu diesem Zweck auch genutzt werden. |