Aktionsbündnis Patientensicherheit zeichnet Klinikums-Projekt für zukunftsweisenden Ansatz aus
Ein schlecht lesbares oder falsch interpretiertes Rezept kann fatale Folgen haben: In einem Fall wurde zum Beispiel ein Herzglykosid (Novodigal®Tropfen) statt eines Schmerzmittels (Novalgin®Tropfen) handschriftlich verordnet – der Fehler konnte glücklicherweise durch die ungenaue Bezeichnung der Darreichungsform in der Apotheke noch korrigiert werden. Auch Zahlendreher, Formfehler (z.B. fünf statt der drei zulässigen Arzneimittel auf einem Kassenrezept) oder unkorrekte Bestandteile einer Rezeptur (Incidin statt Turixin® Nasensalbe) zeigen: Fehlerhafte Rezepte können schwerwiegende Folgen haben und massiv die Patientensicherheit gefährden. Doch soweit muss es nicht kommen. Ein am Klinikum entwickeltes Konzept stellt einen zukunftsweisenden Ansatz zur Verbesserung der Rezeptqualität dar. Für diese erfolgreiche Qualitätsinitiative wurde das Klinikum vom Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) mit dem Deutschen Preis für Patientensicherheit ausgezeichnet.
Erste Ansätze zur Optimierung der Rezeptqualität am Klinikum gehen auf das Jahr 2012 zurück. Dr. Hanna Seidling von der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, in der die Koordinationsstelle der Qualitätsinitiative angesiedelt ist: „Auswertungen zeigten, dass es an der Schnittstelle zwischen Klinikambulanzen und öffentlichen Apotheken bei ca. 23 Prozent der am Klinikum ausgestellten Rezepte zu Rückfragen kam.“ Ein ärgerlicher Zustand, der die Mitarbeiter in den Apotheken und Ambulanzen viel Zeit und Nerven kostete und die Sicherheit der Patienten gefährdete. Die Idee für die interdisziplinäre Qualitätsinitiative „Verbesserung der Rezeptqualität“ war geboren.

Christine Faller (li.) und Dr. Hanna Seidling setzen sich für die Verbesserung der Rezeptqualität ein.
„Noch 2012 kam es bei ca. 23 Prozent der am Klinikum ausgestellten Rezepte zu Rückfragen.“
Dr. Hanna Seidling, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Welche drei Fehler werden beim Ausstellen von Rezepten am häufigsten gemacht?
> Vollständiger Name des Arztes fehlt.
> Verordnung einer unklaren Rezeptur.
> Unklare Bezeichnung des Arzneimittels.
Welche Maßnahmen wurden seit Projektbeginn 2012 umgesetzt?
> Einführung eines Rezeptmonitors in den rund 300 Ambulanzen des Klinikums.
> Schulung der Klinikums-Mitarbeiter, um die in das Klinikinformationssystem (AiDKlinik®) integrierte, zertifizierte Rezeptschreibe-Software noch besser zu nutzen zu können. Diese erkennt Fehler bereits bei der elektronischen Eingabe.
> Vernetzung der Entwickler der Software mit dem Zentrum für Informations- und Medizintechnik (ZIM) und der Klinikapotheke.
> Einbindung der öffentlichen Apotheken in der Region in die wissenschaftliche Begleitevaluation und Datenerhebung. Unterstützt wird die Maßnahme auch von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg.
Was hat das Projekt erreicht?
> 2015 kam es nur noch in vier Prozent aller ausgestellten Rezepte zu Rückfragen aus den öffentlichen Apotheken. 2012 betrug dieser Anteil noch 23 Prozent.
>2015 musste nur noch jedes 300. Rezept aufgrund von Formfehlern neu ausgestellt werden – 2012 war es noch jedes 75. Rezept.
> 2015 wurden bereits 82 Prozent der in der Klinik ausgestellten Rezepte elektronisch erstellt. 2012 betrug dieser Anteil lediglich 35 Prozent.
„In unserem Klinikum werden jährlich etwa 250.000 Rezepte ausgestellt. Korrekte Rezepte sind essenziell, damit die Weiterversorgung der Patienten ohne Zeitprobleme und Missverständnisse erfolgt.“
Christine Faller, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Die Ergebnisse des Projekts verdeutlicht auch unsere Grafik:
Neben der Unterstützung durch den Klinikumsvorstand und der aktiven Beteiligung aller involvierter Abteilungen wie ZIM, Klinikapotheke oder Qualitätsmanagement waren es ganz besonders das große Engagement und die Lernbereitschaft der Mitarbeiter in den Ambulanzen, die dazu geführt haben, dass das Projekt so erfolgreich umgesetzt werden konnte. „Ihnen allen gebührt ein großes Dankeschön“, so Christine Faller, die die Koordinationsstelle betreut, „denn nur gemeinsam ist ein solches Mammut-Projekt umzusetzen.“
>>Hintergrund: Das Aktionsbündnis Patientensicherheit
2005 als gemeinnütziger Verein gegründet, setzt sich das APS für eine sichere Gesundheits-versorgung ein und widmet sich der Erforschung, Entwicklung und Verbreitung hierfür geeigneter Methoden. Dabei setzt das Bündnis auf Unabhängigkeit, Fachkompetenz und multidisziplinäre Vernetzung – von der Praxis für die Praxis. Als Vertreter aller Gesundheitsberufe und -institutionen, Patientenorganisationen und Interessierter, bringt dieses Netzwerk aus einer Reihe konkreter Projekte in Arbeits- und Expertengruppen Handlungsempfehlungen, Patienteninformationen und Publikationen hervor, die kostenlos an alle Einrichtungen im deutschen Gesundheitswesen sowie Patienten und deren Angehörigen weitergegeben werden.