Auf der neuen Lehrstation HIPSTA in der Chirurgie versorgen Studierende im praktischen Jahr und Pflegeschüler gemeinsam Patienten
Das Beste an HIPSTA, der neuen „Heidelberger Interprofessionellen Ausbildungs-Station“ in der Chirurgischen Klinik, ist für Benedikt van Vugt ganz klar das selbstständige Arbeiten. Der angehende Gesundheits- und Krankenpfleger freut sich: „Hier betreuen wir Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung, treffen im Team selbst Entscheidungen. Die Chance hat man während der Ausbildung sonst nicht.“ Dem kann seine Teamkollegin Anna Badenhop, Medizinstudentin im Praktischen Jahr (PJ), nur beipflichten: „Man bekommt einen sehr guten Einblick in den Stationsalltag, führt selbst Visiten durch, ordnet Untersuchungen an, beschäftigt sich mit der Medikation. Das ist einzigartig – bei anderen Praxiseinsätzen assistiert man eher oder übernimmt einfache Aufgaben wie Blutabnehmen.“
Deutschlandweit einzigartig ist dieses Lehrkonzept tatsächlich, denn auf HIPSTA – ein gemeinsames Projekt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, der Akademie für Gesundheitsberufe und der Medizinischen Fakultät – liegt die Versorgung der frisch operierten Patienten in der Hand von PJ-lern und Schülerinnen und Schülern der Gesundheits- und Krankenpflege im dritten Ausbildungsjahr. Betreut werden sie von Lehrbeauftragen der Chirurgie, Praxisanleitern der Pflege und den benachbarten Stationsteams. Abgesehen davon ist HIPSTA eine normale chirurgische Station, auf der sich Patienten von verschiedenen Eingriffen im Bauchraum erholen.
„Sich gegenseitig zu fragen, drückt Wertschätzung aus. Das ist Zusammenarbeit auf Augenhöhe.“
Benedikt van Vugt, Auszubildender der Gesundheits- und Krankenpflege
Praxistraining unter realen Bedingungen ist aber nur ein Ziel von HIPSTA: Es geht auch darum, die Teilnehmer schon früh in der Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Berufsgruppe zu schulen – Interprofessionalität ist das Schlagwort. Denn wie soll man in der Zukunft effektiv Hand in Hand arbeiten, wenn man Kompetenzen und Arbeitsweise „der anderen“ nicht kennt? Auf HIPSTA haben angehende Ärzte und Pfleger zur Lösung dieses Problems eine einfache Methode parat: Man fragt nach. „Ich lerne jeden Tag etwas Neues von meinen Kollegen aus der Pflege“, erklärt PJ-lerin Badenhop. Neben ihr und van Vugt sind es noch je drei Pflegeschüler und PJ-ler, die ihren Einsatz auf HIPSTA absolvieren.
In der ersten Woche des insgesamt vierwöchigen Einsatzes war sie daher, so oft ihre eigenen Aufgaben es zuließen, bei pflegerischen Tätigkeiten dabei, lernte viel über Wundversorgung, Mobilisation, Kostaufbau und mehr. „Dabei sieht man erst, wie viel Zeit das alles in Anspruch nimmt“, lautet ihr Fazit. Benedikt van Vugt sieht noch einen anderen Aspekt: „Sich gegenseitig zu fragen, drückt Wertschätzung aus. Das ist Zusammenarbeit auf Augenhöhe.“ Außerdem, so findet er, wird dadurch die Patientenversorgung besser, „weil wir oft gemeinsam überlegen, was der Patient braucht. Jeder kann sich einbringen.“
Und was sagen die Patienten, wenn statt eines erfahrenen Ärzte- und Pflegeteams Medizinstudentin und Pflegeschüler an ihrem Bett stehen? „Patienten und Angehörige sind erstaunlich offen. Das Vertrauen, das sie uns entgegenbringen, hat mich anfangs selbst überrascht“, so van Vugt. „Wir erfahren viel Anerkennung. Zum Beispiel sprechen uns Angehörige bei Fragen direkt an und gehen nicht erst zur Stationsleitung.“ „Bisher gab es bei jeder Entlassung Lob für die gute Betreuung“, freut sich auch Badenhop. Einzelne Patienten fanden den exklusiven Einblick in die Ausbildung der beiden Berufsgruppen sogar äußerst interessant und nahmen dafür auch gerne in Kauf, dass z.B. eine angeleitete Wundnaht etwas länger dauerte.
„Bisher gab es bei jeder Entlassung Lob für die gute Betreuung.“
Anna Badenhop, Medizinstudentin im Praktischen Jahr
Privatdozent Dr. André Mihaljevic, Lehrbeauftragter an der Chirurgischen Klinik, und Stationsleiterin Birgit Trierweiler-Hauke können sich dem Lob nur anschließen: „Ich bin begeistert, was unsere Studierenden und Pflegeschüler schon alles können und selbstständig machen. Bisher wurde alles, was an Problemen aufgetaucht ist, selbstständig gemanagt“, so Mihaljevic. „Die Betreuung der viszeralchirurgischen Patienten ist sehr komplex. Da gibt es kaum Standard-Tätigkeiten, die Teilnehmer müssen sehr gut mitdenken – aber das hat bisher wunderbar geklappt“, betont Trierweiler-Hauke. Dass die angehenden Ärzte und Pfleger es hier fast ausschließlich – wie an einem Universitätsklinikum üblich – mit schwerkranken Patienten zu tun haben, macht HIPSTA weltweit einzigartig. Inzwischen gibt es einen regelrechten Run auf HIPSTA, für die kommenden Kohorten ist voraussichtlich ein Auswahlverfahren nötig.
Noch bis September 2018 wird das Projekt von der Robert Bosch Stiftung gefördert. Bis dahin hofft das Team um Mihaljevic und Trierweiler-Hauke eine tragfähige Infrastruktur aufgebaut zu haben, damit HIPSTA spätestens dann zum Selbstläufer wird. Denn darin sind sich alle einig: HIPSTA hat sich schon jetzt mehr als bewährt und soll daher auf jeden Fall auch im Neubau der Chirurgischen Klinik fortgesetzt werden.
>>Hintergrund: HIPSTA
Die „Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungs-Station“ ist ein gemeinsames Projekt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, der Akademie für Gesundheitsberufe Heidelberg, der Medizinischen Fakultät und sowie des Studiengangs „interprofessionelle Gesundheitsversorgung”. Initiator und Projektleiter ist Privatdozent Dr. André Mihaljevic, Oberarzt und Lehrbeauftragter an der Chirurgischen Klinik.
Die Idee zur Lehrstation kam von Studierenden, die das Konzept im Rahmen des Erasmus-Förderprogramms in Stockholm kennen gelernt hatten. Das Heidelberger Projekt startete mit der Förderungszusage der Robert Bosch Stiftung zum Wintersemester 2016/17, im April 2017 konnte die erste Teilnehmerrunde auf HIPSTA Patienten betreuen. Die Unterstützung der Robert Bosch Stiftung – insgesamt 83.000 Euro lässt die Stiftung in das Projekt fließen – erfolgt im Rahmen des Programms „Operation Team – Interprofessionelle Fortbildungen in den Gesundheitsberufen“.
HIPSTA umfasst zwei Dreibett-Zimmer der allgemein- und viszeralchirurgischen Station. Jeweils zwei PJ-ler/PflegeschülerInnen-Paare betreuen ein Zimmer in zwei Schichten. Das gesamte Spektrum allgemeinchirurgischer Behandlungen ist vertreten, lediglich Patienten mit Multiresistenten Keimen sind ausgenommen und Patienten nach Transplantation werden nur in Ausnahmefällen auf die Lehrstation verlegt. Die vier Teams versorgen „ihre“ Patienten unter der Supervision ihrer Betreuer selbstständig, bereiten Visiten, Teamgespräche und Übergaben vor, organisieren Untersuchungen und nötige Folgebehandlungen ebenso wie die weitere Versorgung nach Entlassung. In täglichen „Spiegelgesprächen“ resümieren und bewerten sie gemeinsam mit Lehrbegleitern und Praxisanleitern die Vorkommnisse ihrer Schicht. Außerdem ist eine kurze, selbstständig recherchierte Fortbildung eingeplant: Die Themen ergeben sich aus den Fragen, die beispielsweise während der Visite oder der Patientenversorgung aufkommen, und sind sowohl für angehende Ärzte als auch Pflegekräfte relevant.
Neben Dr. André Mihaljevic waren an der Ausarbeitung des Konzepts beteiligt:
– Birgit Trierweiler-Hauke (Pflegerische Stationsleiterin der Viszeralchirurgischen Transplantationsstation 6 IMC/VTS)
– Jochen Schmidt (Praxisanleiter Pflege)
– Diplom-Pflegepädagoge Burkhard Götsch (Schulleiter der Gesundheits- und Krankenpflegeschule)
– Dr. Cornelia Mahler, Anika Mitzkat (Studiengang Interprofessionelle Gesundheitsversorgung)
– Christoph Fink, Alexej Ballhausen, Jessy Chen (Studierende des Studiengangs Medizin)
– Aylin Cetin und Lisa Murmann (Auszubildende der Akademie für Gesundheitsberufe Heidelberg)
Für die Betreuung der Studierenden und Pflegeschülerinnen und -schülern während ihres vierwöchigen Einsatzes auf HIPSTA sind neben Dr. Mihaljevic verantwortlich:
PD Dr. Pascal Probst
Dr. Theresa Kenngott
Jochen Schmidt, Johann Stegie, Beata Fuzon, Jenny Knapp, Nadine Laier (Praxisanleiter Pflege)