Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert eine im März gestartete klinische Brustkrebs-Studie mit einer Million Euro
Nach der Chemotherapie folgt bei fast allen Brustkrebspatientinnen eine Operation mit Entnahme von zumindest ehemals erkranktem Gewebe – so schreiben es die Leitlinien der Fachgesellschaften vor. Forscher um Prof. Jörg Heil vom Brustzentrum der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg treibt die Frage um, ob selbst nach vollständigem Verschwinden der Tumorzellen in der Brust eine Operation zwingend notwendig ist, oder ob manchen Patientinnen der teilweise physisch und psychisch belastende Eingriff erspart werden könnte. Mit dieser Motivation beginnt im März 2017 unter Heidelberger Leitung eine erste Studie mit 600 Patientinnen an 18 Brustkrebszentren in Deutschland, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit der hohen Fördersumme von einer Million Euro unterstützt wird. Der KlinikTicker beatwortet die wichtigsten Fragen.
Wie häufig ist Brustkrebs?
Brustkrebs ist mit etwa 31 Prozent die häufigste Krebserkrankung bei Frauen: Über 70.000 Mal im Jahr stellen Mediziner die Diagnose „Mammakarzinom“, über 17.000 Frauen sterben jährlich daran. Somit ist Brustkrebs die häufigste, aber nicht die gefährlichste Krebsart bei Frauen. Rechtzeitig erkannt und behandelt, sind viele Erkrankungen heilbar. Fünf Jahre nach der Diagnose sind ca. 87 Prozent der Patientinnen noch am Leben. Die Heilungsrate ist in den letzten Jahren durch eine verbesserte Früherkennung, neue Therapiekonzepte (operativ, strahlentherapeutisch und medikamentös) und der interdisziplinären Betreuung in den zertifizierten Zentren gestiegen.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Rund 60 Prozent der Patientinnen werden mit einer Kombination verschiedener Therapien behandelt (Operation, Bestrahlung, Hormontherapie, Antikörpertherapie, Biphosphonate etc.), eine Chemotherapie ist in diesen Fällen nicht notwendig. 40 Prozent der Betroffenen erhalten aufgrund des Ausgangsbefundes eine Chemotherapie, die nach aktuellen Leitlinien immer eine Operation (vor oder nach Chemo) mit sich bringt.
Welche Frauen kommen für die neue Studie in Frage?
Für die Studie kommen die Patientinnen in Frage, die als erste Therapiemaßnahme eine Chemotherapie mit anschließender Operation erhalten. Insgesamt sollen in einem Zeitraum von drei Jahren 600 Patientinnen an 18 Brustkrebszentren in Deutschland untersucht werden, Start der Studie war im März. Die Federführung liegt beim Brustzentrum der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.
Was ist der Hintergrund der Studie?
„Viele der Brustkrebs-Patientinnen, die eine Chemotherapie erhalten, sprechen sehr gut darauf. In vielen Fällen werden die Krebszellen allein durch die Medikamente vernichtet“, so Prof. Christof Sohn, Ärztlicher Direktor der Frauenklinik. Dennoch werden auch diese Patientinnen den aktuellen Leitlinien gemäß nach der Chemotherapie einer Operation unterzogen, bei der zumindest ehemals erkranktes Gewebe entnommen wird.
Was wird in der Studie untersucht?
Forscher um Prof. Jörg Heil vom Brustzentrum treibt die Frage um, ob selbst nach vollständigem Verschwinden der Tumorzellen in der Brust eine Operation zwingend notwendig ist, oder ob manchen Patientinnen der belastende Eingriff erspart werden könnte. „Wir suchen nun nach einem verlässlichen Diagnose-Werkzeug, um nachzuweisen, welche Patientinnen eine zusätzliche Operation benötigen und welche möglicherweise nicht“, so Studienleiter Prof. Jörg Heil.
„Wir suchen nun nach einem verlässlichen Diagnose-Werkzeug, um nachzuweisen, welche Patientinnen eine zusätzliche Operation benötigen und welche möglicherweise nicht. Die Studienergebnisse könnten zu einem Paradigmenwechsel in der Therapie des Brustkrebses beitragen und vielen Frauen eine Operation ersparen.“
Prof. Dr. Jörg Heil, Studienleiter Universitäts-Frauenklinik Heidelberg
Wie erfolgt die Untersuchung?
Die Studie führt bei den Patientinnen auf freiwilliger Basis nach Ende einer Chemotherapie einen kleinen Zwischenschritt ein: In einem ca. 15-minütigen Eingriff in örtlicher Betäubung wird eine Vakuum-Biopsie durchgeführt, die als besonders treffsicher gilt. Dabei wird eine Hohlnadel in das zu untersuchende Gewebe eingebracht. Das Gewebe wird durch Vakuumsog in das Innere der Nadel gezogen und dort abgetrennt. Anschließend wird die Probe pathologisch auf Krebszellen untersucht.
Was passiert nach der Vakuum-Biopsie?
Leitliniengemäß werden die Studienteilnehmerinnen unabhängig vom Ergebnis der Biopsie in jedem Fall operiert; nur so lässt sich feststellen, wie genau eine Biopsie das vollständige Verschwinden des Tumors nachweisen kann. Die Teilnehmerinnen haben also einen kleinen Eingriff zusätzlich.
Was ist das Ziel der Studie?
Ziel der insgesamt 36 Monate dauernden Studie ist zu belegen, dass sich mithilfe einer Vakuum-Biopsie eine sogenannte Komplettremission in der Brust – also das vollständige Verschwinden des Tumors durch die Chemotherapie – nachweisen lässt.
Wie geht es nach Beendigung der Studie weiter?
Liegt die „Fehlerquote“ der Biopsien bei weniger als zehn Prozent, könnten weitere, größere Studien folgen, in denen auf die Operation tatsächlich verzichtet wird – ein großer Vorteil für die betroffenen Patientinnen, denen der physisch und psychisch belastende Eingriff erspart werden könnte.