Studieren in Madrid, Paris oder Wien – das europäische Austauschprogramm Erasmus+ macht es möglich
Fast zwei Drittel aller Heidelberger Medizinstudenten gehen während ihres Studiums ins Ausland. Sie entscheiden sich für ein oder mehrere Semester im Rahmen des europäischen Austauschprogramms Erasmus+ oder absolvieren Teile des Praktischen Jahres in der Fremde. Hinzu kommen unzählige selbstorganisierte Pflegepraktika, Famulaturen und Dissertationsprojekte auf der ganzen Welt. Nach ihrer Rückkehr beschreiben sich die Studierenden als kreativer, durchsetzungsfähiger, gelassener, toleranter und offener. Sie haben ihre Sprachkenntnisse vertieft, ein internationales Netzwerk aufgebaut und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert.
Auslandsaufenthalt individuell und flexibel ins Studium integrieren
Das weiß man auch am Studiendekanat der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Leiter PD Dr. Roman Duelli hat das Ziel klar definiert: „Unsere Studierenden sind sehr mobil und wir wollen diese Mobilität konkret fördern.“ Erreicht wird dies durch Beratung, Vernetzung mit Partneruniversitäten und der Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen. Ein kompetentes und engagiertes Team informiert, hilft bei der Organisation und bei Formalitäten und kümmert sich um die Anerkennung von im Ausland erbrachten Leistungen. Die fächerübergreifende Struktur von HeiCuMed, dem Heidelberger Curriculum Medicinale, ermöglicht es, den Auslandsaufenthalt ohne Zeitverlust individuell und flexibel in das Studium zu integrieren. Außerdem können Sprachkurse bereits im vorklinischen Studienabschnitt als Wahlpflichtfach anerkannt werden. Es gibt einen offenen Online-Zugang mit Infomaterial und Erfahrungsberichten, hinzu kommt eine enge Vernetzung von Interessierten, ausgewählten Erasmus-Kandidaten und Rückkehrern. Mit Erfolg: Gingen im Studienjahr 2001/2002 lediglich 43 Heidelberger Medizinstudenten im Rahmen von Erasmus ins europäische Ausland, sind es mittlerweile jährlich fast 100.
Als Wunschziel werden Großstädte wie Madrid oder Paris und andere touristisch reizvolle Städte genannt. Eines der wichtigsten Auswahlkriterien für die Teilnahme am Erasmusprogramm ist die hohe sprachliche Anforderung, die an die Studierenden gestellt wird. Daher werden Auslandssemester in deutsch- oder englischsprachigen Ländern und Städten immer beliebter, ganz oben auf der Liste steht derzeit Wien.
In Spanien mehr Theorie, in Kopenhagen mehr Praxisbezug
Pia Maier ließ sich von Sprachhürden nicht abschrecken, lernte neben Studium und Job Spanisch und Dänisch und verbrachte ihr letztes klinisches Studienjahr im spanischen Oviedo und in Kopenhagen. Dadurch lernte sie zwei völlig unterschiedliche Ansätze im Medizinstudium kennen: In Spanien ist das Studium sehr theoretisch, in Kopenhagen dagegen ist der Student voll in den klinischen Alltag integriert. Dort durfte Pia Maier gynäkologische Untersuchungen durchführen und bei einem Kaiserschnitt assistieren. Die Theorie musste sie sich allerdings selbst aneignen. Und auch die Prüfungssituation ist nicht vergleichbar. Während in Spanien das Ergebnis des Staatsexamens über den zukünftigen Arbeitsplatz und das Fachgebiet entscheidet, zählen in Kopenhagen statt einer großen Abschlussprüfung Selbständigkeit und Leistungen in der Forschung. „Seit meiner Rückkehr weiß ich HeiCuMed viel mehr zu schätzen“, so Pia Maier rückblickend. Obwohl sie häufig Gelegenheit hatte, auch Land und Leute kennenzulernen, hat ein Auslandssemester für sie wenig mit Urlaub zu tun: „Man muss natürlich auch dort Engagement zeigen.“
Studiendekanat von Deutschem Akademischen Austauschdienst ausgezeichnet
Aufgrund der sehr guten Rahmenbedingungen, die das Heidelberger Auslandsstudium bietet, wurde das Studiendekanat der Medizinischen Fakultät Ende 2016 mit dem 1. Preis in der Ausschreibung Com2Uni (Committed to Uniqueness) des Deutschen Akademischen Austauschdienstes zur internationalen Studentenmobilität in Europa ausgezeichnet.
Für das Team kein Grund, sich auszuruhen, sondern Ansporn, auch in Zukunft möglichst vielen Studenten die einzigartige Erfahrung eines Auslandaufenthaltes zu ermöglichen. Die Rückmeldungen und Erfahrungen der Auslandrückkehrer fließen wiederum in HeiCuMed ein. Denn Internationalität und wissenschaftlicher Austausch im Studium ist ein zentrales Anliegen des Ausbildungscurriculums.
Von HeiCuMed können auch Studierende aus dem Ausland profitieren. 60 bis 70 Studierende kommen pro Jahr, oft aus Spanien, Italien oder Frankreich. Darüber hinaus werden Famulanten aus der ganzen Welt betreut. Seit einigen Jahren bewerben sich in steigender Zahl Medizinstudierende auch aus Krisenländern.
Heike Dürr
>>Hintergrund: Erasmus+
- Erasmus feiert 2017 sein 30-jähriges Jubiläum. Es wurde von der Europäischen Union 1987 ins Leben gerufen und ist das weltweit größte Förderprogramm von Auslandsaufenthalten an Universitäten.
- Der Name kürzt den Begriff European Community Action Scheme for the Mobility of University Students ab, soll aber auch an den Humanisten Erasmus von Rotterdam erinnern.
- Inzwischen nehmen alle 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie Norwegen, Island, Liechtenstein, die Schweiz und die Türkei teil.
- Die Medizinische Fakultät Heidelberg war von Beginn an dabei und hat aktuell 30 europäische Partneruniversitäten.
- Zentrale Bestandteile von Erasmus sind die gegenseitige Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen sowie die finanzielle Unterstützung von Austauschstudenten.
- Heidelberger Medizinstudenten können mit Erasmus+ im 3. bis 5. Studienjahr ins Ausland gehen, aber auch das Praktische Jahr im europäischen Ausland kann über Erasmus gefördert werden.

2016 zog es die Heidelberger Medizinstudenten in diese Länder.