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Fünfmal von Flensburg bis ins Allgäu

18. Mai 2017

Klaus Bensching, Musik- und Lauftherapeut am Zentrum für Psychosoziale Medizin, läuft 4.500 Kilometer im Jahr

„Ab 30 Kilometer tut alles weh. Wenn man das überwindet, kommen wieder Phasen, in denen es sich wie von allein läuft. Das ist wie im richtigen Leben“, sagt Klaus Bensching, Musik- und Lauftherapeut am Zentrum für Psychosoziale Medizin. Seit rund zehn Jahren läuft er sogenannte Ultramarathons, also Distanzen mit mehr als 42,2 Kilometern, im letzten Jahr bewältigte er seinen ersten Wettkampf über 100 Kilometer. Rund viermal im Jahr nimmt der 51-Jährige an solchen Ultraläufen teil, dazu noch an „normalen“ Marathons. Zusammen mit dem regelmäßigen Training kommen da schon einige Kilometer zusammen: 2016 waren es, so schätzt er, an die 4.500 Kilometer. Das entspricht etwa fünfmal einer Durchquerung Deutschlands von Flensburg an der dänischen Grenze bis nach Oberstdorf im Allgäu.

Was bringt einen dazu, zu Fuß, auf Zeit und an einem Stück eine Stecke zurückzulegen, die die meisten Menschen noch nicht einmal mit dem Rad bewältigen würden? Bei Klaus Bensching war es der Umstieg von einer „Droge“ auf eine andere: „Zum Laufen kam ich, als ich mir das Rauchen abgewöhnen wollte. Das hat funktioniert. Ich habe mir ein neues Körpergefühl erlaufen.“ Inzwischen schnürt er sich die Laufschuhe für die tägliche Auszeit und um zur Ruhe zu kommen. „Das ist Zeit für mich. Wenn ich aus gesundheitlichen Gründen mehrere Tage aussetzen muss, fühle ich mich unausgeglichen.“ Zunächst lief er Marathons. Sein selbst gestecktes Ziel, die 42 Kilometer unter drei Stunden zu schaffen, erreichte er erstmals 2007 beim Köln-Marathon. Danach musste eine neue Herausforderung her: „Ich habe bemerkt, dass ich bei etwas langsamerem Tempo sehr lange und konstant laufen kann und begann mit 50-Kilometer-Läufen.“ Zusätzliche Motivation gibt ihm der Anschluss an die Laufsportgemeinschaft (LSG) Weiher e.V., große Wettkämpfe besuchen sie als Mannschaft.

 

„Nach meinem ersten Marathon unter drei Stunden musste eine neue Herausforderung her.“

 

2016 war sein bisher erfolgreichstes Wettkampfjahr: Im März erlief er sich in Berlin den deutschen Mannschaftsmeistertitel über 50 Kilometer. Bei der Deutschen Meisterschaft über 100 Kilometer in Leipzig wurde er Deutscher Vizemeister in der Altersklasse der über 50-jährigen Männer (M50) und lief als Gesamt-Achter in die Top-Ten der deutschen Ultraläufer. Beim Thüringer Rennsteiglauf, Europas schönstem Landschaftslauf mit einer Strecke von 72,7 Kilometer mit 1.500 Metern Höhendifferenz, belegte er den ersten Platz und bei der Deutschen Meisterschaft im Ultratrail über 65 Kilometer, dem „Bilstein Ultra Marathon“, den zweiten Platz der M50-Klasse. Auf seinen Erfolg beim Rennsteiglauf ist er besonders stolz: „Dieser Lauf ist sehr beliebt und hat eine lange Tradition, daher ist das Starterfeld sehr groß und stark besetzt. Unter den etwa 2.000 Startern im Ultramarathon wurde ich in der Gesamtwertung 24., das hat richtig Spaß gemacht. Nach so einem Lauf ist man im Ziel allerdings emotional so fertig, dass man vor Glück nur noch heult.“

Genau diese emotionalen Hochs und Tiefs während des Laufs formen den Charakter, ist Klaus Bensching überzeugt: „Man begegnet sich selbst ziemlich häufig, muss sich seine Kräfte gut einteilen, geduldig sein und sich immer wieder mit seinen Grenzen auseinandersetzen. Die entscheidende Frage ist: Wie begegnet man dem Punkt, an dem scheinbar nichts mehr geht?“ Den Familienvater motiviert der Gedanke an die Tochter, die in diesem Jahr heiratet, und seine Frau, ebenfalls Marathon-Läuferin, die bei Wettkämpfen im Ziel auf ihn wartet. „Ich kenne meine Stärken, weiß, dass ich im Wettkampf zu Leistungen in der Lage bin, die ich mir vorher nicht hätte vorstellen können, habe aber auch Demut vor solchen Herausforderungen entwickelt.“ Als Therapeut verleihe ihm das Authentizität, findet er: „In jedem Lebenslauf gibt es Phasen, in denen man denkt, es geht nicht mehr. Das kann ich schon allein aus meiner Lauferfahrung gut nachempfinden und meinen Patienten so das Gefühl vermitteln, dass man diese Krisen – wie beim Marathon – überwinden kann: Manchmal hilft es, immer nur die nächsten drei Schritte in den Blick zu nehmen.“

 

Drei Fragen an… Klaus Bensching, Musik- und Lauftherapeut

Klaus Bensching beim Laufen 1

Klaus Bensching beim Thüringer Rennsteiglauf.

Seit 2015 sind Sie am ZPM nicht nur als Musik-, sondern auch als Lauftherapeut tätig. Warum und für welche Patienten ist Laufen heilsam?

Das Angebot gilt für das ganze Haus. An den Lauftreffs nehmen daher beispielsweise Patienten mit Depressionen, Angst- oder Borderline-Störung teil. Wir fangen ganz klein an mit nur zwei Minuten Joggen und Gehen im Wechsel, bis die Teilnehmer schließlich 30 Minuten am Stück joggen können und in die Fortgeschrittenen-Gruppe wechseln. Die wichtigste Botschaft dabei ist: In kleinen Schritten und in vernünftigem Tempo ist diese Herausforderung machbar! Zwei Minuten Joggen sind zu schaffen und nach der Pause die nächsten zwei Minuten. Das gibt neue Zuversicht und steigert das Selbstwertgefühl. Die Erfolgserlebnisse helfen dabei, diese Gefühle zu generalisieren im Sinne von: „Ich habe diese Anstrengung geschafft, dann schaffe ich auch andere Herausforderungen in meinem Leben!“ Gerade für depressive Patienten ist es wichtig, sich wieder selbstwirksam  zu erleben und nicht ohnmächtig und der Erkrankung ausgeliefert. Außerdem fühlt sich der Tag ganz anderes an, wenn man morgens gelaufen ist. Das gibt Motivation und Energie.

Stichwort Energie: Sie sind sechs Stunden wöchentlich als Lauftherapeut auf den Beinen, für ihr eigenes Training laufen sie pro Woche nochmals acht bis zehn Stunden. Geht Ihnen nie die Puste aus?

Gerade wenn man regelmäßig Marathon und erst recht Ultramarathon läuft, ist die Regeneration sehr wichtig, um Verschleiß vorzubeugen. Ich mache Yoga als Ausgleich, ernähre mich vernünftig und versuche genügend Schlaf zu bekommen.

…und spielen in Ihrer Band „By the way“ und haben – nicht zu vergessen – Familie. Wie bekommen Sie alles unter einen Hut?

Ich wähle die Wettbewerbe so aus, dass es mit der Musik passt. Dafür verzichte ich dann in diesem Jahr z.B. auch einmal auf den Rennsteig-Lauf in Thüringen. Aktuell steht bei uns ein Umbau an und meine Tochter heiratet im Sommer, dafür verzichte ich gerne auf ein paar Läufe. Abgesehen davon habe ich das Glück, dass meine Frau auch Marathon läuft und entsprechend Verständnis für diese Leidenschaft aufbringen kann. Sie begleitet mich auch oft mit dem Rad. Und von meinem Training am Sonntagmorgen bringe ich die Brötchen für´s Frühstück mit – wir bekommen das ganz gut familienverträglich hin.

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