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Physiotherapeutin Annika Roth und ihre Hospitation am King’s College in London

21. November 2016

Im Oktober 2016 hospitierte Annika Roth, Physiotherapeutin und angehende Bachelorandin des Studiengangs Interprofessionelle Gesundheitsversorgung, eine Woche im Londoner King’s College. An der dortigen „Faculty of Life Science & Medicine“ hatte sie die Möglichkeit, sich einen Eindruck über die dortige interprofessionelle Ausbildung sowie die Zusammenarbeit von Studierenden der Gesundheitsberufe und der Humanmedizin zu verschaffen. In einem Interview berichtet sie von ihren Erlebnissen.

Für den Artikel verantwortlich: Sarah Berger und Annika Roth

 Wie kam es zu dieser Hospitation?

Einer der Schwerpunkte meines Studiengangs Interprofessionelle Gesundheitsversorgung an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg liegt, wie der Name schon sagt, auf der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen und mit anderen Gesundheitsberufen. Aus diesem Grund interessierte mich besonders wie dieses Thema didaktisch in anderen Ländern umgesetzt wird. Da kam es mir gelegen, dass ich in einem Gespräch von Frau Sarah Berger (MN (Hons), MBA), einer meiner Dozentinnen, das Angebot bekam in London zu hospitieren. Übrigens profitieren noch weitere Kommilitonen von den internationalen Verbindungen einiger Dozenten des Studiengangs.

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Kate Bazin (re.) und Annika Roth (li.) vor dem Weston Education Centre des King’s College London (Denmark Hill Campus). Foto: privat.

Wie gestaltete sich die Kontaktaufnahme mit der zuständigen Kontaktperson am King’s College?

Der Kontakt gestaltete sich unkompliziert durch bestehende Beziehungen zwischen dem Interprofessional Education Unit, Division of Medical Education, King‘s College London und dem Bachelorstudiengang Interprofessionelle Gesundheitsversorgung der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Die Begrüßung vor Ort durch Kate Bazin, Teaching Fellow Academic im Department of Physiotherapy, war überaus herzlich. Die Dozenten nahmen mich bereitwillig in ihre Seminare auf und beantworteten geduldig meine Fragen. Erst hatte ich etwas Bedenken, insbesondere wegen der auch im englischsprachigen Raum vielen Abkürzungen, die verwendet werden, jedoch war ich durch das Seminar Health Care English sehr gut auf alle relevanten Begriffen vorbereitet. Außerdem herrschte in den Seminaren eine offene Atmosphäre, die Rückfragen zuließ. Dies zeichnete auch das Verhältnis zu den Studierenden aus: freundlich, offen und nett.

Wie gestaltete sich ein Hospitationstag?

Hier ein kleiner Ausschnitt, von einem möglichen Tagesablauf:

Thursday 13th October

Time Session Health professions
08:30-12:30 Interprofessional High Fidelity Clinical Simulation Medicine, Nursing
14:00-17:00 Advance Communication Skills in Practice – the use of Cognitive behaviour therapy (CBT) –

(https://kclpure.kcl.ac.uk/portal/emma.l.godfrey.html)

Physiotherapy

Mir wurde sogar ein Internetzugang für die dortige Lernplattform zur Verfügung gestellt, was ein besseres Einarbeiten in die Thematiken ermöglichte.

Was sind IPE sessions?

Interprofessional education (IPE) sessions sind Seminare/Vorlesungen, an denen Studierende der Gesundheitsberufe und der Humanmedizin teilnehmen. Dabei lernen Studierende „mit und voneinander mit dem Ziel die Patientenversorgung zu verbessern/occasions when two or more professions learn with, from and about each other to improve collaboration and the quality of care (Centre for the Advancement of Interprofessional Education (CAIPE) 1997: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20718596)“. Diese Sessions stellen teilweise Pflichtveranstaltungen sowie Wahlfächer dar. Es wird dabei zwischen folgenden Angeboten unterschieden: 1) der theoretischen Bearbeitung eines Falls oder Themas in der interprofessionellen Gruppe und 2) der praktischen Simulation von klinischen Situationen, die in einem interprofessionellen Team behandelt werden.

Gibt es vergleichbare Seminare/Vorlesungen an der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg?

Ja und nein, wie auf unserer Studiengangsseite (https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Studiengangskonzept.119672.0.html) hervorgehoben gibt es bereits Angebote an Lehrveranstaltungen (Teamkommunikation, Fehlerkommunikation, Existenzgründung im Gesundheitswesen sowie Health Care English, …), die in den beiden Studiengängen (Humanmedizin und Interprofessionelle Gesundheitsversorgung) als interprofessionelle Veranstaltungen durchgeführt werden. Es werden keine interprofessionellen „Clinical Simulations“ angeboten. In London werden im Humanmedizin- und Zahnmedizin-Studiengang Notfallsimulationen mit Dummies (Puppen mit lebensnahen Funktionen zur Simulation von Notfallsituationen) simuliert und gilt als Teil der praktischen Übungen am Narkosesimulator (HANS) für das klinische Semester. Teilweise werden diese zur Durchführung von Schulungen und Prüfungen angehender Intensivpflegekräfte genutzt. Es gibt wohl auch Überlegungen sie in interprofessionellen Schulungen zu nutzen.

An welche aufregende Situation kannst du dich dabei erinnern?

In einer Simulation stellte die Hebammenschülerin, die als erste der Notfallsituation beiwohnte, eine Penicillinunverträglichkeit der schwangeren Patientin fest, die immer stärker dyspnoisch wurde. Daraufhin leitete die dazukommende „(studentische) Ärztin“ die passende Therapie ein. Jedoch vergaßen beide den Tropf mit dem Medikament abzuhängen, weshalb sich der Zustand der Patientin weiter verschlechterte. Die Seminargruppe, der ich beiwohnte, von der man über Monitore die Geschehnisse beobachten konnte, wurde immer unruhiger. Es erschien uns, als ginge es tatsächlich um Leben und Tod und nicht um eine Puppe, die sich so benahm, als hätte sie einen anaphylaktischen Schock. Kurz bevor das Reanimationsteam bzw. Notfallteam eintraf, bemerkten die beiden den Fauxpas, der im realen Leben schlimm hätte enden können und hingen die Infusion ab. Mein einziger Gedanke war, dass dies zum Glück kein echter Patient war. Nach der Simulation fand innerhalb der Gruppe die Reflexion und Analyse des Falles mit den Dozenten statt, damit die Teilnehmer das Erfahrene genau reflektieren können und den damit verbundenen Erkenntnisgewinn verinnerlichen.

Worin unterscheidet sich die interprofessionellen Lehre, die du aus Deutschland kennst, von der interprofessionellen Lehre am King’s College?

Aufgrund der kurzen Zeitspanne lässt sich das schwer beurteilen. Mit interprofessioneller Lehre ist an dieser Stelle die didaktische Aufbereitung von Lehrveranstaltungen, die für alle Gesundheitsberufe offen sind, gemeint. Bildungspolitisch gibt es jedoch große Unterschiede, z.B. sind alle Gesundheitsberufe dort akademisiert, d.h. werden an Hochschulen ausgebildet. Des Weiteren ist der Stundenanteil der praktischen Ausbildung am Patienten geringer, was durch die Simulationen teilweise „ersetzt“ wird. Außerdem ist das Studium im Allgemeinen mit erheblichen Kosten verbunden.

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Blick aus dem New Hunts House des King’s College London (Guy’s Campus) auf den Borough Wing des Guy’s Hospital. Foto: privat.

 

 

 

 

 

 

 

 

>> Informationen zum Studiengang Interprofessionelle Gesundheitsversorgung auf der Homepage

 

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