Krankenpfleger Maximilian Klaritsch erfüllt sich als „Flight Nurse“ einen Lebenstraum
Mit schwerkrankem Patienten im Fahrstuhl stecken zu bleiben, ist wahrscheinlich der Alptraum vieler Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger. Es ist eng, man ist auf sich allein gestellt und muss auf unbestimmte Zeit mit dem medizinischen Material auskommen, das man dabei hat. „Diese Situation haben wir im Rettungsflugzeug immer“, sagt Maximilian Klaritsch, Gesundheits- und Krankenpfleger auf der Intensivstation der Orthopädischen Klinik. Seit 2014 arbeitet der 26-Jährige nebenberuflich als Flight Nurse, als fliegender Rettungsassistent, für einen Anbieter internationaler Ambulanzflüge (FAI) in Nürnberg. Seine Arbeitszeit am Klinikum hat er auf 65 Prozent reduziert, so kann er an bis zu zehn Tagen im Monat seinem Traumjob nachgehen. „Die Stellen als Flight Nurse sind enorm beliebt, man braucht sehr gute Qualifikationen und noch mehr Glück, um einen festen Platz im Dienstplan zu ergattern. Ich bin stolz, dass ich es geschafft habe.“
Inzwischen hat er geschätzt 30 Länder bereist und dabei Flughäfen, Intensivstationen, Krankenversorgung und -transporte in mehreren europäischen Ländern, den USA und in Afrika kennen gelernt. Jedes Mal gilt es, sich auf die Zustände vor Ort einzustellen und mit dem begleitenden Arzt zu bewerten, ob der Patient überhaupt flugfähig ist. Denn während des Flugs sind Komplikationen vorprogrammiert: „Die meisten Passagiere sind Intensivpatienten, viele werden beatmet. Bei Start und Landung sackt der Kreislauf ab. Das kann schnell kritisch werden“, so Klaritsch. Verträgt der Patient die normale Flughöhe nicht, fliegt der Pilot „Sea Level“, also so tief wie möglich. Das relativ kleine Flugzeug nimmt dabei fast jedes Wetter mit, der Flug dauert deutlich länger, es muss häufiger gelandet und nachgetankt werden – eine große Belastung für Crew und Patienten.
Dank guter Planung und Vorbereitung geht in der Regel alles gut. Dennoch mangelt es häufig nicht an Dramatik. Wie 2015, als er aus Ruanda, Afrika, eine junge Frau mit abholte, die schwerst verletzt einen Verkehrsunfall überlebt hatte. Der Rettungswagen hatte zwei Stunden bis zum Unfallort gebraucht, nun lag die 20-Jährige mit Schädel-Hirn-Trauma im Koma und wurde am möglichen Maximum beatmet. „Bei der Beatmung benötigen wir aber dringend Spielraum nach oben, damit wir bei Start und Landung noch etwas zugeben können“, sagt der Rettungsassistent. „Wäre ihre medizinische Versorgung vor Ort nicht schon ausgereizt gewesen, hätten wir sie vermutlich gar nicht ausgeflogen, viel zu riskant.“ Dem Arzt und ihm gelang es in einer fünfstündigen Vorbehandlung, die Patientin zu stabilisieren und die Beatmung etwas herunter zu fahren. Dann erst startete der Transport, eine 15-stündige Zitterpartie: Sie mussten dreimal zwischenlanden, jedes Mal verschlechterte sich der Zustand der Patientin, jedes Mal kämpfte die Crew erfolgreich dagegen an. „Als wir sie in Tübingen ablieferten, war sie trotzdem in einem sehr kritischen Zustand“, erinnert er sich. „Leider weiß ich nicht, ob sie es geschafft hat.“
Nervenaufreibend kann auch schon der kurze Aufenthalt im Zielland sein: Anfang dieses Jahres begleitete Klaritsch einen Flug nach N´Djamena im Tschad, um eine Schwangere mit Herzproblemen nach Paris bringen. „Dort wurden schon Privatmaschinen gesprengt, im letzten Jahr eine Bombe an Bord eines Flugzeugs geschmuggelt – da fühlt man sich nicht besonders wohl“, sagt er. Untergebracht war die Crew daher in einem Hotel für UN-Beamte, das Gepäck checkte jeder nach der Kontrolle nochmals selbst. Alles ging glatt. Wie zur Entschädigung wartete dieser Einsatz mit einem der bisher schönsten Momente in Klaritschs Zeit als Flight Nurse auf: „Der Pilot ist für uns eine Runde um den Eiffelturm geflogen. Wir haben gestrahlt wie die Honigkuchenpferde.“
Drei Fragen an Max Klaritsch, Krankenpfleger in der Orthopädischen Klinik
Was bringt einen auf die Idee, sich als Flight Nurse zu bewerben?
Ich wollte schon immer in den Rettungsdienst, habe die letzten acht Jahre bereits nebenberuflich als Rettungsassistent gearbeitet. Und Fliegen ist ebenfalls ein großer Traum von mir. Ich habe entsprechende Weiterbildungen absolviert und kann nun beides verbinden. Das ist einfach großartig und ich werde es ganz sicher nicht so schnell aufgeben.
Wie läuft ein solcher Einsatz ab?
Während meiner Dienstzeit bin ich zu Hause 24 Stunden in Rufbereitschaft. Kommt ein Auftrag rein, muss ich sofort ins Auto springen und nach Nürnberg an den Flughafen fahren. Startet der Flug von dort aus, ist es also kein reiner Crewwechsel, checke ich die benötigte medizinische Ausrüstung und verstaue sie sicher im Flugzeug. Wir haben ALLES dabei, was man für einen Intensivtransport braucht: Von Antibiotika bis hin zu Thoraxdrainagen und Gerätschaften für die Beatmung. Sofern wir schon Dokumente zum Patienten vorliegen haben, gehen wir diese durch: Was hat der Patient? Brauchen wir spezielle Ausrüstung? Wie hoch ist das Risiko des Patienten? Dann geht es durch die Kontrolle und los.
Im Zielland holen wir den Patient in der Klinik ab, die kann auch schon einmal 150 Kilometer entfernt sein. In Krisengebieten wie z.B. Libyen, hier war ich letztes Jahr, wird der Patient grundsätzlich angeliefert. Bei der Übergabe entscheiden wir, ob noch eine Vorbehandlung nötig ist und der Patient wirklich transportfähig ist. Im Flugzeug überwachen und versorgen wir den Patienten entsprechend seiner Verletzung bzw. Erkrankung – das reicht vom gebrochenen Bein bis hin zum Kopfschuss, wie letztes Jahr in Libyen.
Je nach Dienstende und Folgeaufträgen, hat man etwas Freizeit im zuletzt angeflogenen Land, normalerweise geht es aber direkt zurück. Vor kurzem hatte ich Glück: Wir flogen einen Patienten in die USA und ich hatte Dienstende. Bis zu meinem Linienflug nach Hause hatte ich zwei Tage Zeit, mir New York anzuschauen. Das war mein erster „USA-Urlaub“ überhaupt.
Sie sehen bei ihren Einsätzen viele Krankenhäuser und Intensivstationen. Die medizinische Versorgung entspricht wahrscheinlich häufig nicht dem, was Sie von hier gewohnt sind – man denke an den Tschad oder Libyen. Wo war es am schlimmsten?
Ein absolutes No-Go war Griechenland: Die Krankenhäuser sind heruntergekommen, Infrastruktur und hygienische Verhältnisse katastrophal. Schimmel an den Wänden, Dreck auf den Fluren, Wägen mit alten, blutgefüllten Spritzen stehen unbeachtet herum, Einwegmaterialen werden dort mehrfach verwendet. Patienten, die wir nach einer Erstversorgung dort ausfliegen, leiden häufig an einer Infektion, wenn nicht gar Blutvergiftung. Ich kann nur jedem, der dorthin reist, raten, eine gute Auslandskrankenversicherung abzuschließen, die den Heimtransport ohne Bedingungen übernimmt. Falls man dann erkrankt oder sich verletzt, sofort nach Hause bringen lassen!