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Eine Ambulanz für Flüchtlinge

12. Juli 2016

Wie sich Ärzte des Klinikums und Medizinstudenten im Patrick Henry Village engagieren

Bildzeile (von links): Medizinstudentin Katharina Wahedi, Dr. Johannes Pfeil, Iris Schelletter, und Dr. Thomas Lutz (alle Kinderheilkunde I) an der Leitstelle der Flüchtlingsambulanz im Patrick Henry Village

Seit Februar werden die Menschen, die im Registrierungszentrum des Landes im Patrick Henry Village (PHV) in Heidelberg leben und medizinische Hilfe benötigen, vor Ort von Ärzten des Universitätsklinikums versorgt. Bis Anfang Juni behandelten die Mediziner – beteiligt sind die Bereiche Allgemeinmedizin, Frauen- und Kinderheilkunde, Tropenmedizin sowie Psychiatrie/Psychosomatik – in der eigens eingerichteten Ambulanz in der ehemaligen Dental Clinic des PHV 2.357 Patienten. Tatkräftig unterstützt werden sie dabei von Heidelberger Medizinstudenten, die überall dort anpacken, wo Hilfe notwendig ist und sich nicht zuletzt wegen wichtiger Dolmetscheraufgaben unentbehrlich gemacht haben.

Von Anfang an in das Projekt mit einbezogen waren die Kinderärzte Dr. Thomas Lutz und Dr. Johannes Pfeil, die auch die Idee zu der Flüchtlingsambulanz hatten. Die Mediziner der Kinderklinik/Kinderheilkunde I erinnern sich: „Als die Flüchtlingswelle im Sommer 2015 ihren Höhepunkt erreichte, hatten wir es in der Notfallambulanz der Kinderklinik täglich mit Patienten zu tun, die aus dem Patrick Henry Village mit einem großen logistischen Aufwand zu uns ins Klinikum gebracht wurden.“ Auch Anamnese und Untersuchung gestalteten sich aufgrund der Sprachbarriere schwierig. Mit ihrem Vorschlag, die medizinische Versorgung der Flüchtlinge direkt im PHV zu organisieren, rannten Dr. Lutz und Dr. Pfeil bei Professor Dr. Guido Adler, dem Leitenden Ärztlichen Direktor des Klinikums, offene Türen ein. Bis die Formalitäten mit allen Beteiligten geklärt waren und die ersten Patienten vor Ort behandelt werden konnten, dauerte es noch bis zum 8. Februar.

30 Klinikums-Ärzte arbeiten in der Ambulanz – und das unentgeltlich und zusätzlich zur regulären Arbeit

Seitdem empfangen die Uniklinik-Ärzte – unterstützt werden sie an ein oder zwei Tagen in der Woche von niedergelassenen Kollegen – ihre Patienten von Montag bis Freitag zu festgelegten Sprechzeiten. Dazu wurde die Dental Clinic entsprechend umgebaut und mit einer Leitstelle, Wartezimmer und sieben Untersuchungszimmern versehen. Neben Dr. Lutz und Dr. Pfeil sind es ca. 30 Klinikums-Ärzte aus den beteiligten Fachgebieten, die meist einmal in der Woche in den Heidelberger Süden fahren, um dort ihren Ambulanzdienst zu verrichten – und das unentgeltlich und zusätzlich zu der Arbeit, die währenddessen in der Klinik anfällt. Besonders stark frequentiert werden die Sprechstunden der Allgemeinmedizin und der Kinderheilkunde, aber auch die Psychosomatik hat immer mehr Zulauf – eine Folge der traumatischen Erlebnisse, die die Menschen in ihrem vom Krieg zerrütteten Land oder auf der Flucht erlitten haben. Die Ärzte versuchen zwar, diese Geschehnisse bei der Behandlung der Patienten auszublenden, ganz gelingt das aber auch nicht immer – etwa bei Menschen, deren Verletzungen zweifelsfrei auf Folter oder Krieg zurückzuführen sind.

Und die Versorgung der Flüchtlinge in Heidelberg? Die hat sich im Vergleich zu noch vor einem Jahr deutlich verbessert. Die Kinderärzte berichten: „ Die Ambulanz im Registrierungszentrum sorgt für eine bessere Koordination und Verteilung der Patienten zu den für sie in Frage kommenden Fachgebieten. Medikamente, Diagnosen und Impfungen werden in einem Gesundheitsbuch niedergeschrieben, so dass die aktuelle und zukünftige Behandlung enorm erleichtert wird.“ Nur die Sprachbarriere erschwert noch so manches Mal die Untersuchung der Patienten. Feste Übersetzer gibt es nicht. Ohne den von Obada Alhalabi, Student der Humanmedizin, mit großem Enthusiasmus organisierten Dolmetscher-Pool gäbe es niemanden, der sich um diese Aufgabe kümmert. Er organisierte über die Muslimische-Studierenden-Gruppe (MSG) und die Fachschaft Medizin 35 Dolmetscher für die Sprachen Arabisch, Farsi (persisch), Paschtu (Afghanistan und Pakistan) und Albanisch. „Manchmal ist es schwierig, sich an Sprachen neuankommender Flüchtlinge anzupassen, manchmal wird für eine bestimmte Sprache, z. B. westafrikanisch, auch kein Dolmetscher gefunden. Für die meisten Sprachen lässt aber immer ein Dolmetscher organisieren“, so Alhalabi. Leider sind nicht ausreichend Dolmetscher vorhanden, um alle Tage mit allen Sprachen abdecken zu können, was manchmal den Ärzten die Untersuchung der Asylsuchenden erschwert.

Ohne die Unterstützung der Studenten wäre das Projekt bereits am Anfang gescheitert

Apropos Studenten: Ohne die Unterstützung der Studenten der Fachschaft Medizin, die sich in der Projektgruppe “Students4PHV” zusammengeschlossen haben, wäre das „Projekt Flüchtlingsambulanz“ bereits in den Anfangstagen gescheitert. Katharina Wahedi, angehende Ärztin kurz vor dem Praktischen Jahr, erzählt: „In den ersten Monaten gab es keine Leitstellenkräfte bzw. Sprechstundenhelferinnen, so dass wir den kompletten administrativen und organisatorischen Teil übernommen haben.“ Dazu gehörten die Anmeldung der Patienten, die Eingabe der Daten in den PC, das Ausdrucken der Rezepte oder Überweisungen und die Koordination der Dolmetscher. Zwischenzeitlich gibt es zwei fest eingestellte Sprechstundenhelferinnen, so dass die Studenten ihrer ursprünglich angedachten Arbeit nachgehen und die Ärzte bei der Behandlung der Patienten unterstützen können. Zu ihren Aufgaben gehören nun die Erhebung anamnestischer Daten, das Messen von Blutdruck, Größe und Gewicht oder die Blutabnahme.

>>Auf einen Blick
Die Flüchtlings-Ambulanz im Patrick Henry Village (PHV) in Heidelberg geht auf die Initiative des Universitätsklinikums, der Stadt Heidelberg und der Ärzteschaft Heidelberg zurück. Organisation und Planung lagen in den Händen einer Medizinischen Lenkungsgruppe, bestehend aus Vertretern des Gesundheitsamtes, des Universitätsklinikums, der Ärztekammer Nordbadens und des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Die Kosten für die Ausstattung der Ambulanz mit medizinischen Geräten, EDV und einem ersten Satz von Verbrauchsmaterial über rund 90.000 Euro trug das Universitätsklinikum mit Unterstützung der Stadt Heidelberg. Neben den Ärzten des Universitätsklinikums werden die Flüchtlinge unter der Woche auch von niedergelassenen Medizinern versorgt. Außerhalb der festgelegten Sprechzeiten – oder für darüber hinausgehende Therapie oder Diagnostik – müssen die Patienten weiterhin niedergelassene Fachärzte oder die Ambulanzen des Klinikums aufsuchen. Vom 8. Februar bis zum 31. Mai wurden im Patrick Henry Village 2.357 Patienten untersucht. In der Ambulanz können die Asylsuchenden, neben der Behandlung akuter Erkrankungen, wichtige Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere und Kleinkinder wahrnehmen oder sich bei Verdacht auf bestimmte, in ihren Heimatländern auftretende Erkrankungen testen und behandeln lassen. Eine Zunahme verzeichnet in letzter Zeit die psychosomatische Sprechstunde aufgrund einer Vielzahl an traumatisierten Patienten.

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