von Professor Dr. Stefan Meuer, Geschäftsführender Direktor Institut für Immunologie
Weil man in den Monaten November bis März häufiger als sonst erkältet sein kann, glauben viele, dass Kälte und hohe Luftfeuchtigkeit das Immunsystem schwächen und dass man es deshalb stärken müsse. Das stimmt erwiesenermaßen nicht. Vielmehr trifft der Mensch in diesen Monaten auf ein klimabedingt verändertes Erreger-Spektrum und -Verhalten, welches die Häufigkeit von Erkältungskrankheiten mitbestimmt. Für die Abwehr von Grippeerregern (zumeist Viren) ist das Immunsystem übrigens nicht alleine verantwortlich: die Oberflächen unseres Atemtraktes in Mund, Nase, Luftröhre und Lunge schwellen an und produzieren vermehrt Sekrete, um ein Eindringen von Viren in den menschlichen Körper zu behindern.
Erhöhte Körpertemperaturen entstehen bei Abwehrreaktionen durch ein gesundes Immunsystem. Man darf daher Fieber nicht automatisch mit der Vorstellung verbinden, das Immunsystem sei schwach – genau das Gegenteil trifft in der Regel zu. Es wird sogar angenommen, dass Infektionen das Immunsystem ‚trainieren‘. Umgekehrt bedeutet ‚kein Fieber‘ noch lange nicht, dass man über ein starkes Immunsystem verfügt.
„Das Immunsystem steht in enger Verbindung zu unserem Gehirn und der Glaube an die Wirksamkeit einer Maßnahme kann viel Positives bewirken.“
Wegen seiner überragenden Bedeutung für das Überleben des Menschen ist unser Immunsystem extrem ‚überdimensioniert‘, d.h. selbst bei einem Funktionsverlust von mehr als 50 Prozent (was sehr selten vorkommt) kann es alle seine wichtigen Aufgaben voll und ganz erfüllen, ohne dass man es von außen beeinflussen müsste.
Von seltenen, zumeist genetisch bedingten Abwehrschwächen einmal abgesehen, kann man sich voller Vertrauen auf sein Immunsystem verlassen. Die Wirksamkeit aller möglichen Maßnahmen, mit denen man sich vor Erkältungskrankheiten schützen oder sie bekämpfen möchte, ist – leider – nicht solide bewiesen und kann auch nicht für jeden in gleicher Weise zutreffen. Sollten Sie mit der einen oder anderen ‚Strategie‘ gute Erfahrungen gemacht haben, so bleiben Sie ruhig dabei: das Immunsystem steht in enger Verbindung zu unserem Gehirn und der Glaube an die Wirksamkeit einer Maßnahme kann viel Positives bewirken.
Ein empfehlenswerter Schutz für Herbst und Winter ist allerdings die Grippeschutzimpfung, auf die das Immunorgan mit einer Bildung gezielter Abwehrstoffe (z. B. anti-virale Antikörper) reagiert. Sie ist eine unschädliche, aber für den Ernstfall sehr effiziente Vorbeugung – nicht nur für den Geimpften oder die Geimpfte selbst: Impfungen können auch verhindern, dass Grippeerreger auf andere Menschen übertragen werden.
Autor: Prof. Stefan Meuer